Am nĂ€chsten Tag stand der Aufbruch dann zu fĂŒr Helgoland moderater Zeit an. Wir wollten noch tanken. HieĂ, raus aus dem einen Hafen und gleich wieder rein in den anderen Hafen der roten Insel. Wer auf die glorreiche Idee gekommen war, die Schiffstankstelle direkt in die Ecke von zwei SpundwĂ€nden zu bauen, erschloss sich mir nicht. Jedenfalls war ich froh, dass unsere Leinen schneller fest waren, als uns die Wellen gegen eine der WĂ€nde hĂ€tten werfen können. Danach lief eine schier unglaubliche Menge an Schiffsdiesel in unseren Tank. Als wir in die Hunderter kamen, war Silke am Steg nicht mehr sicher, was sie an der ZapfsĂ€ule ablas, Liter oder Euro? Beides war in faszinierender Weise mittlerweile weit jenseits unseres Vorstellungsvermögens. Nur gut, dass wir tatsĂ€chlich nur einen Teil des Verbrauchs zu verantworten und also zu begleichen hatten.
Da ich nun schon am Ruder stand, legte ich uns gleich noch ein weiteres letztes Mal auf Helgoland fĂŒr dieses Jahr ab. Vor dem Hafen erwartete uns die Berg- und Talbahn der Nordsee, die schon den sich stetig steigernden Wind ankĂŒndigte. Mit halbem Wind segelten wir durch die Wellenberge, die den einen oder anderen an Bord mit den Augen rollen lieĂen. Ist es anmaĂend, wenn ich sage, dass ich sie nach den Erfahrungen der letzten Jahre als moderat empfand? Unseren Kurs hielten wir jedenfalls ziemlich gut.
Am Morgenhimmel suchte ich mir wieder und wieder eine geeignete Wolke aus, die in unserer Richtung lag. Das funktionierte tatsĂ€chlich erstaunlich gut. Auch Silke, die mich nach einer Weile ablöste, nutzte diesen Trick. Und dann war das OzeangefĂŒhl auch bald schon wieder vorbei. Erst kam die Tiefwasserreede, kurz darauf die erste Fahrwassertonne der Elbe. Wie schon einmal hörte hier der Seegang recht unmittelbar auf.
Unterwegs schnappten wir einen Funkspruch der âHamburgâ auf, des Borkumer Seenotrettungskreuzers, dem ich ein wenig nachgetrauert hatte, hatte uns unser diesjĂ€hriger Friesland-Törn doch nicht bis zu seiner Station gefĂŒhrt. Nun wurde im Funk darĂŒber gesprochen, dass die âHamburgâ auf dem Weg nach Hamburg sei. Sie fuhren also denselben Kurs wie wir. Klar, der Hafengeburtstag stand ja an. In der Hansestadt wĂŒrde die âHamburgâ die Attraktion sein. Freude breitete sich bei mir aus, bestand doch die Chance, dass wir, dass ich sie also doch noch sehen wĂŒrde. Dass dies dann frĂŒher als gedacht, nĂ€mlich schon in GlĂŒckstadt der Fall sein wĂŒrde, das ahnte ich freilich in diesem Moment noch nicht.
Ein letztes Highlight begegnete uns kurz hinter Cuxhaven, als Robert die RĂŒckenflosse eines Schweinswals entdeckte, dann waren wir auch schon wieder auf dem Elb-Fahrstuhl und mit ihm zurĂŒck von unserem Törn zu den Inseln hinaus aufs Meer.
In GlĂŒckstadt hatten wir abends einen Tisch im âKleinen Heinrichâ reserviert, dem urigen Fischrestaurant am Markt. Mussten wir nur noch schnell im Hafen fest- und uns landfein machen. Das Festmachen war allerdings eine Nummer fĂŒr sich: ablandiger Wind tat alles, um uns vom gewĂŒnschten Liegeplatz fernzuhalten. RĂŒckwĂ€rts sollte an den Steg manövriert werden, um dieses PlĂ€tzchen am nĂ€chsten Tag auch wieder verlassen zu können. RĂŒckwĂ€rts, kein Platz zum Manövrieren und den Wind von achtern â klarer Fall, eine Sache fĂŒr den Skipper höchstpersönlich. âChapeau, Christian!â hat sicher mehr als einer von uns dort gedacht.
SpĂ€ter am Abend saĂen wir im âKleinen Heinrichâ. âWas machst Du da?â kam die Frage ĂŒber den Tisch, als Robert die Lampe ĂŒber dem Tisch wieder und wieder anstubste und so zum Pendeln brachte. âMir fehlt hier wasâ, lautete seine verschmitzte Antwort, die noch lange in mir nachklang. Ja, so an Land fehlt einem schon was â ganz viel manchmal sogar â so viel, dass man sich damit tröstet, dass es ja nicht mehr lang dauern wird bis zum nĂ€chsten Mal â nur bis die neue Saison beginnen, nur bis der Winter vorĂŒber sein wĂŒrde â nur, lassâ uns zĂ€hlen â wie viele Monate genau?
Dass auch unsere Elbe es durchaus in sich haben konnte, lernten wir an unserem letzten Tag dieses SpĂ€tsommertörns. âFeiglinge!â das war Richard, unser Ostsee-Segler, der nun allein im Cockpit saĂ in Ălzeug und knallrotem SĂŒdwester und der drĂ€uenden Regenfront im RĂŒcken. Ja, er hatte recht, wir waren Feiglinge, als wir uns so allesamt unter Deck verkrĂŒmelten. Niemand hatte Lust, am letzten Tag des Törns durchweicht nach Hause zu kommen. Und trotzdem erwischte es uns natĂŒrlich alle, sodass Richards gutgemeinter Spott an uns abperlte wie der Regen am Ălzeug.
Der Regen sollte uns den Abschied eigentlich leichter machen. Jedenfalls sagte ich mir das. Konnte es denn wirklich schon zu Ende sein? Wo war nur all die Zeit geblieben? Zehn Tage lagen hinter uns â mir war, als mĂŒssten sie erst noch beginnenâŠ
Ja, an diesem letzten Tag unseres Törns war es plötzlich Herbst geworden. Ich merkte es daran, dass ich das erste Mal seit zehn Tagen wieder Socken trug. Und auch das Ălzeug natĂŒrlich, das uns, den Strom aufwĂ€rts segelnd, leidlich trocken gehalten hatte. Nur unter Genua waren wir seit GlĂŒckstadt unterwegs. Trotzdem machten wir zwischendurch ĂŒber weite Strecken konstante acht Knoten Fahrt. Wir wĂŒrden frĂŒher, als kalkuliert, nach Hause kommen. Christian hatte zwischendurch bereits recht kritisch festgestellt, dass diese marginale Besegelung unserer âHelgoland Expressâ ganz unserem Wunsch entsprĂ€che, so lange wie möglich auf dem Wasser zu sein. Selten habe ich ihn so unentschlossen gesehen. Eigentlich war er jemand, der gerne schnell segelte und damit auch das Optimum an Tuch hochzog. Aber an diesem Tag waren Schauerböen mit bis zu neun Beaufort angekĂŒndigt, auch auf der Elbe. Und so entschied er, das Segelkleid den Böen und nicht dem Mittelwind entsprechend anzupassen und damit eben auch unserem Wunsch, diesen letzten Tag noch ein wenig lĂ€nger hinauszuzögern.
Dass dies nun nur mĂ€Ăig gelang, hatten wir dann in der Tat besagten Böen zu verdanken, die uns auf der Höhe des Airbus-Werkes bei Finkenwerder schlieĂlich mit ganzen vierzig Knoten Wind vor sich herjagten. So kamen wir in den Hamburger Hafen zusammen mit all den dicken Pötten, die nach der Sperrung wegen der Einlaufparade des Hamburger Hafengeburtstags alle gleichzeitig einliefen. Wir steckten wortwörtlich im Stau. Vom Hafengeburtstag sahen wir an jenem Tag freilich nichts als besagte Kette von Containerfrachtern und dann unseren eigenen Schiffssalon, in den uns der Regen vertrieben hatte. Wie gesagt, eigentlich hĂ€tte uns dieses Wetter den Abschied leicht machen sollen und dochâŠ
Sicherlich waren wir froh, als wir bei unserer Yachtschule am Steg einen weiteren Schauer unter Deck abwettern konnten, bevor wir zu unserer FĂ€hre mussten. Und ja, als wir schlieĂlich der PraktikabilitĂ€t halber in Ălzeug und Seestiefeln durch die StraĂen der Stadt stapften, erweckten wir sicher nicht unbedingt den Eindruck, von einem Sommerurlaub heimzukehren. Aber hĂ€tte man mich gefragt, ich hĂ€tte gesagt, wir seien nur kurz fĂŒr einen Zwischenstopp eingekehrt, denn eigentlich wollten wir wieder los. Wann? Na, am liebsten natĂŒrlich sofort!