Unser letzter Segeltag begann erneut frĂŒh. Um sechs wollten unsere Bootsnachbarn losmachen. Ihr Ziel war dem unseren entgegengesetzt – Cuxhaven. Sie brauchten dafĂŒr die andere Tide. Wir wĂŒnschten gute Fahrt, als sie sich aus dem PĂ€ckchen gelöst hatten. Und dann: ‚Es ist noch warm‘, wie Lutz so schön verkĂŒndete, verholten wir uns zuerst mit einer neuen Leine weiter an den Steg und danach zurĂŒck in die Kojen. Wir konnten ausschlafen – was fĂŒr ein Luxus im Tidenrevier!

Einige erholsame Stunden spĂ€ter begann der Tag wieder mit schönstem Sonnenschein fĂŒr uns. Wir wollten ja erst mit auflaufendem Wasser wieder los nach Finkenwerder, hatten also noch bis mittags Zeit. Wir machten uns auf den Weg in den Ort, um Brötchen vom BĂ€cker zu holen, und kamen dabei recht unsanft in der Wirklichkeit unserer Tage wieder an. Vor dem Laden hatte sich eine fein sĂ€uberlich aufgereihte Schlange von Menschen gebildet. Abstand halten, da war es also wieder, und beim Betreten der BĂ€ckerei war auch wieder der Mundschutz gefragt. Beinahe hĂ€tte ich in den letzten Tagen vergessen können, in welchem Jahr wir gerade lebten – in jenem der Pandemie, die einfach alles auf den Kopf gestellt hatte, was bisher normal gewesen war. Auf unserem Boot waren wir eingetaucht in unsere eigene kleine Welt, die so weit weg schien von all dem hier. Brötchen in der Stadt holen wurde so zu einem echten Abenteuer und brachte uns recht radikal zurĂŒck auf den Boden der Tatsachen. Es gab also die Welt da draußen immer noch mit all ihren Problemen und Sorgen


Zur Mittagszeit fanden wir uns dann alle, wie abgesprochen, wieder auf dem Boot ein. Die „Hamburg Express“ hatte sich, wie wir feststellten, schon wieder auf den Weg gemacht. Auch wir waren bereit, die Leinen loszuwerfen. Zusammen mit uns machte sich eine Reihe weiterer Boote zum Auslaufen klar. Stutzig hĂ€tten wir werden sollen, als uns die Crew vom achterlich gelegenen, deutlich kleineren Boot um Hilfe beim Verholen bat. Sie steckten im Schlick, und wir sollten sie ein wenig anziehen. Kein Problem und schon erledigt. ‚Gute Fahrt!‘ Und nun bloß los. Unsere Leinen zum Nachbarboot wurden gelöst, die Fender waren fĂŒrs Manöver platziert, nur vom Fleck rĂŒhrten wir uns nicht. Auch wir steckten lĂ€ngst tief im Schlick des Hafenbeckens. So sehr wir uns auch mĂŒhten, mehr als in einem recht lĂ€cherlichen Winkel zum Steg zu stehen, brachten wir mit unserer Maschine nicht fertig. Nun gut, was soll‘s. ‚Maschine aus‘, beschloss Jörg. Es half ja nichts, wir mussten erst wieder auf ein wenig Wasser unter dem Kiel warten.

WĂ€hrend sich das Hafenvolk Boot fĂŒr Boot wieder seinen eigenen Angelegenheiten zuwandte, stellten wir bei der Eruierung unserer Misere fest, dass nicht nur Springtide war, sondern dass der Ostwind der vergangenen Tage zusĂ€tzlich Wasser aus dem Fluss gedrĂŒckt hatte. Der Revierfunk meldete schließlich ganze vierzig Zentimeter weniger als bei normalem Niedrigwasser. Wir hatten also allen Grund, auf selbigem zu sitzen. Wir beobachteten die Muscheln an den Dalben und sahen zu, wie sie nach und nach wieder ins Wasser eintauchten. Es konnte doch nicht mehr ewig dauern oder?

‚Was ist denn mit euch? Sitzt ihr fest? Wollt ihr rein oder raus?‘ schallte es da in unsere etwas getrĂŒbte Aufbruchstimmung hinein. ‚Raus, wir wollen raus‘, rief ich und stellte fest, dass der Adressat meiner Mitteilung die örtliche Wasserschutzpolizei war. Ihr Boot, die „Amerikahöft“, hatte gerade abgelegt. Jetzt schwamm sie nur wenige Meter von uns entfernt, und die Beamten schauten nicht wenig amĂŒsiert auf unsere verfahrene Lage. ‚Sollen wir‘n bißchen spĂŒlen?‘ kam darauf ihre unerwartete, aber höchst willkommene Frage zurĂŒck. Amtshilfe der ganz besonderen Art sozusagen. Die „Amerikahöft“ ließ ihre Schraube drehen, einmal von der Seite, dann noch einmal von vorne. Und – hej, wie herrlich, wir kamen frei. Freudig winkten wir den Beamten, die uns einen so außergewöhnlichen Einlauf verpasst hatten, als wir den GlĂŒckstĂ€dter Hafen nun endlich verließen. Welch ein GlĂŒck, dass sie vor Ort waren. Danke, Jungs!!