In den Gassen verloren, läuft man durch düstere Gedanken und schwere Träume. Steinwege, die sich durch schmale Schluchten winden. Grüne Fensterläden sperren Blicke aus und Leben ein. Schatten huschen. Doch steigt die Sonne empor und tüncht die Wände in ihr mildes Licht, öffnen sich ihre Augen und leuchten Dir freundlich entgegen. Weisen Dir den Weg bis zu ihrem Herzen, wo er majestätisch thront und auch Dich empfängt. Geblendet bewunderst Du seine Pracht am Morgen, wenn der Marmor glüht wie das Leben selbst.

Vor dem Dom immer dieselbe Alte. Leicht gekrümmt, als wäre der Buckel schon lange einstudiert. Das Gesicht nie zu sehen. ‚Buona, buona‘, sobald sie einen erspäht hat. Schüttelt die Münzen in ihrem Becher. Rote Plastiklatschen, lange, dunkle Röcke. Ein Schatten, der überall und nirgends erscheint, wo sich die Menschen sammeln. Sie geht morgens zur Arbeit, wie die Touristen zur Besichtigung.

Goldenes Spielzeug, den Prinzessinnen-Händchen entschlüpft, strahlst mit der Sonne um die Wette, das Leben der Stadt zu erleuchten. Widerspiegel – die Stadt in Dir und Du im Herzen der Stadt.
In Dein Fundament haben sie sich gebettet, Dir nah zu sein. Ist Dein Stand sicher auf ihren Gebeinen? Goldenes Spielzeug der Stadt, was zeigst Du in Deinen Tiefen?

Wunderschöne alte Bücher in San Marco. Es strahlt in seinem Golddruck und wartet bereitwillig darauf, die Gedanken der Menschen zu tragen. Handschriften mit Miniaturen reich verziert. Ebenso wie der Lesesaal selbst. Medusenhäupter werfen ihr Licht auf leere Lesebänke. Ziegenbockdämonen bewachen Wissen, festgebunden in ihren Häuten. Als wären sie des Nachts aus ihren Wortgeflechten entschlüpft, wachen sie nun an den Fenstern der Bibliothek. Beäugen argwöhnisch den Neuankömmling, erwägen seine Würdigkeit. Wird er verstehen?

Die Kirche ist voller Gräber. Grabplatten an den Wänden und im Boden. Um einige Bildnisse hat man Absperrungen aufgestellt. Dennoch ist ihr Antlitz oft völlig zertreten. Hier sind sie alle begraben – hier in Santa Croce: Galilei, Michelangelo, Dante, Machiavelli. Doch bleibt es leer, kalt. Sie sind weit weg…

Ein Blick aus dem Fenster – zugegebenen nur auf die Fassade des Hauses gegenüber, das Dach daneben und die noch geschlossenen Fensterläden des Nachbarn – aber dazu ein herrlich blauer Himmel, Sonne – toskanisches Licht. Das Licht der Maler und Künstler, in dem man sich baden möchte, in dem man lebendig ist – selbst noch die Toten auf dem Monte Miniato. Wie könnten man hier in der Erde liegen?! Die Menschen ruhen in Kapellen, die sich wie Häuser aneinander reihen, als könnte man kurz an ihre Türe klopfen und anfragen, ob sie nicht auf einen Kaffee mit in die Stadt kommen wollten. Hier kann niemand wirklich tot sein. Sie fangen die Sonne ein.

San Miniato al Monte: Eilig, ein wenig gebückt, lief er über den gekiesten Platz. Seine Augen, seine Blicke schossen hin und her, ein wenig verstohlen. Seine Kutte blähte sich im Frühlingswind, dann verschwand er wieder in dem kleinen Klosterladen: ‚Farmacia‘. Alles war dort zu haben, von der Postkarte bis zum selbstgemachten Schmalztopf. Langsam aber sicher setzten sich die Besucher in Bewegung, ihm zu folgen. Eine laute Dame mit einer unscheinbaren Begleitung an ihrer Seite war die erste, die seine Tür aufriss und hinter sich wieder ins Schloss schmetterte. Zu laut für diesen Platz und seine Ohren. Er zuckt unter seinem Lächeln über dem Rosenkranz.