Wir warteten auf den Sommer, der Anfang August beschlossen hatte, kein Sommer mehr sein zu wollen, sondern eher eine Art unberechenbarer FrĂŒhherbst mit allem, was so dazugehörte.

Das Wetter hatten wir in diesem Sommer sehr genau im Blick – eine Folge unserer nun wöchentlich stattfindenden Segelausbildung auf der Elbe. Die kleine Sun (Jeanneau Sun 2000, LĂ€nge: 6,64m), auf der wir im Club segelten, lĂ€sst einen dabei jeden Windstoß deutlich spĂŒren, was Vor- und Nachteil zugleich bedeuten kann. Vorteil, weil man ein besseres GespĂŒr fĂŒr Segel und Boot gewinnt. Nachteil, weil man sich oft wie auf einem dahinschaukelnden Joghurtbecher fĂŒhlt. Jede Bewegung im Boot wird zwangslĂ€ufig zu einer Bewegung des Bootes. Kein Vergleich zu den Kielyachten, mit denen wir sonst unterwegs waren.

Aber ich war beim Wetter – und das war in diesem Jahr deutlich anspruchsvoller. An Wind mangelte es wirklich nie. Eineinhalb Wochen vor Törnbeginn zog Tief nach Tief ĂŒber uns hinweg, ja, man sprach gar von einem Sturmtief bei DĂ€nemark. Hatte Schottland heimlich losgemacht und war ostwĂ€rts gesegelt? Sonst lagen die Tiefs doch immer dort


Wie dem auch sei, mit eher gemischten GefĂŒhlen sah ich dem Wetter unseres Sommertörns entgegen, das zu dieser Zeit bereits die Eifel und Österreich geflutet, das Mittelmeer verbrannt und Haiti in Schutt und Asche gelegt hatte. Wieder kam mir der Mitarbeiter beim BSH in den Sinn, der – von Berufswegen mit der Berechnung von Meeresströmungen befasst – so wĂŒtend auf die untĂ€tige Politik gewesen war angesichts des doch so Offensichtlichen. Alle sprachen wegen dieser Wetterkapriolen von den Folgen des Klimawandels, doch scheint man mehr um die BĂŒrokratie des Versicherungswesens besorgt als um den Schutz unseres Planeten. Zynisch tauchte der Witz in unserem Segelclub auf, dass es auch in Mitteldeutschland von Vorteil sei, ein Boot im Garten stehen zu haben
 Das Hochwasser in der Eifel hatten wir mit Sorge verfolgt. Zu viele Orte waren genannt worden, die uns durchaus ein Begriff waren. Stolberg und Eschweiler zum Beispiel, die beiden Orte, durch die man immer mit dem Zug fuhr, wenn man nach Aachen wollte, wo wir immerhin fĂŒnf Jahre lang gelebt hatten. Auch die Rurtalsperre war uns gelĂ€ufig von unseren damaligen WanderausflĂŒgen in die Eifel. All die Jahre hatte man dort ĂŒber zu wenig Wasser geklagt, nun barst sie wörtlich aus allen Fugen. Nur schwer konnten wir uns vorstellen, dass FlĂŒsschen wie jene Rur plötzlich zu reißenden Strömen geworden waren.

‚Ja, und weil wir hier ein Hoch ĂŒber Schottland haben und dieses abziehende Sturmtief ĂŒber der Ostsee, deshalb haben wir Nordwind – kalten Nordwind.‘ Ich hörte erstaunt zu. Ein Hoch bei Schottland? Das war doch verkehrt! Das war doch sonst die Ecke mit den Tiefs – andererseits waren die ja kĂŒrzlich nach DĂ€nemark umgezogen
 Mein anders Ohr vernahm ein beruhigendes ‚abziehendes Sturmtief‘. ‚Abziehend‘ war gut. Aber ein Hoch bei Schottland?

Noch drei Tage bis Törnbeginn. Die Wettervorhersage sprach von Regen, einsetzendem Regen, der dann einfach in Dauerregen ĂŒberginge. Ich hörte weg. Ein Hoch ĂŒber Schottland in einem und ein abziehendes Sturmtief im andern Ohr waren wirklich schon genug. Da war fĂŒr den Regen einfach kein Platz mehr. Ich schloss die Augen und hoffte. In drei Tagen konnte viel passieren. In drei Tagen musste es nicht regnen, jedenfalls nicht immerzu, jedenfalls nicht, wenn es zusĂ€tzlich auch noch kalt war. ‚Es ist doch immer noch August!‘ protestierte es in mir. Trotzdem verabschiedete ich mich langsam von dem Gedanken, einen Badeanzug einzupacken. Noch drei Tage