Unser Aufbruch sollte erst mittags stattfinden, was mir Gelegenheit gab, dem lokalen Kunsthandwerkladen doch noch einen Besuch abzustatten. Das GeschĂ€ft erwies sich als Fundgrube fĂŒr Vogelliebhaber. Kein Wunder, waren diese doch ein fester Bestandteil der Inselbesucher. Konnte man hier eines gut machen, dann war es, in Ruhe Vögel aller Art zu beobachten. Das hatten wir schon bei unserem letzten Besuch festgestellt. Hier hatte ich zum ersten Mal Kiebitze gesehen. Dieses Mal blieb fĂŒr solche Unternehmung aber leider keine Zeit. So kaufte ich kurzerhand Kiebitz, KĂŒstenseeschwalbe und Konsorten auf Postkarten und sputete mich zurĂŒck in den Hafen. Heute wĂŒrde es nach Hooge gehen.
Wir verabschiedeten uns von Svenja und ihrer Crew. Ihr Ziel war ein anderes, dann waren wir auch schon wieder unterwegs â zum âRummellochâ â dem Wattfahrwasser nördlich der Insel. Wir rundeten Pellworm von der Ostseite. Es dauerte nicht lange und die Alte Kirche St. Salvator mit ihrem markanten Turm â ĂŒbriggeblieben aus uralter Zeit â kam in Sicht. Sie blieb unsere Wegmarke fĂŒr den Rest dieses Segeltages. Auch sie hatten wir bei unserem letzten Besuch auf Pellworm besichtigt. Gerade der Rest des Turmes konnte einem einen Schauer ĂŒber den RĂŒcken jagen, dachte man an die Gewalt des Meeres, die das ĂŒbrige GebĂ€ude vor so langer Zeit zum Einsturz gebracht hatte. Trotzig erhob sich diese eine AuĂenwand nun hinter dem Deich, war schon lange Sichtzeichen fĂŒr die Seeleute geworden. Sie wĂŒrde auch noch hier stehen, wenn ich nicht mehr war. WĂŒrde sie auch die nĂ€chste Katastrophe ĂŒberstehen, die mit dem steigenden Meeresspiegel auf sie zu rollte?
âRummellochâ â das klang, als wĂ€re dort mĂ€chtig was los. Solche Namen wurden doch nicht umsonst vergeben! TatsĂ€chlich wurde es auch eine abenteuerliche Fahrt durchs Wattfahrwasser, aber wohl aus anderen GrĂŒnde, als die Namensgeber dieses Fahrwassers im Sinn gehabt haben mochten. Mindestens die HĂ€lfte der Pricken, die uns den Weg hĂ€tten zeigen sollen, waren verschwunden. Einige staken mit spitzen Enden gerade noch durch die WasseroberflĂ€che. Gut, es war schon Anfang September, aber das hieĂ doch nicht, dass niemand mehr dieses Fahrwasser wĂŒrde benutzen wollen! Wir nahmen uns jedenfalls gehörig in Acht, als uns der Zustand des Weges so richtig bewusst geworden war. Weder wollten wir hier auf Grund laufen, noch uns eines der BirkenstĂ€mmchen in den Rumpf rammen. Folglich hielten wir alle gemeinsam gehörig Ausguck.
Besonders flach war dieses Wattfahrwasser hingegen nicht. Um 14.20 Uhr passierten wir die flachste Stelle, und unser Lot stand immer noch gut ĂŒber zwei Meter. Das war bequem â sogar fĂŒr ein Kielboot wie unseres. Umso mehr amĂŒsierte es uns spĂ€ter, dass der Hafenmeister auf Hooge verkĂŒndete, er hĂ€tte uns ĂŒbers AIS verfolgt und gar nicht fassen können, dass wir ĂŒbers Watt kamen. Noch sprachloser lieĂen wir ihn tags darauf zurĂŒck, als wir ihm erklĂ€rten, dass wir durchaus gedachten, auch fĂŒr die Fahrt zur nĂ€chsten Insel unseres Törns â nĂ€mlich Föhr â das zugehörige Wattfahrwasser zu nutzen.
Momentan steckten wir aber noch mitten im Rummelloch, fuhren eine Wende und hatten die alte Seefahrerkirche nun achteraus, wĂ€hrend vor uns am Horizont Hooge auftauchte. Das war doch die Hallig oder? Aus der Ferne betrachtet, sahen die einzelnen Warften wie dicke Pötte auf einem Verkehrstrennungsgebiet aus: immer schön eine nach der anderen, alle gleichermaĂen weit weg. War das tatsĂ€chliche eine Insel? FĂŒr mich war dies definitiv der spannendste Teil unseres Törns. Auf einer Hallig war ich noch nie gewesen. Ich stellte sie mir winzig vor und wurde â eines Besseren belehrt.
TatsĂ€chlich, all das, was sich da vor uns ĂŒber den Horizont zog, gehörte zu unserem Etappenziel. Die fernen Schatten auf dem Wasser gaben nach und nach mehr Konturen preis, sodass man nun die einzelnen HĂ€user unterscheiden konnte. Gegen halbvier am Nachmittag wĂ€re unsere Reise an diesem Tag dann auch eigentlich schon zu Ende gewesen, wenn â ja, wenn denn die Schleusentore vor der Hafeneinfahrt schon offen gewesen wĂ€ren. Waren sie aber nicht. SpĂ€ter brachten wir in Erfahrung, dass auch das mit dem Springhochwasser zusammenhing, das uns schon auf Pellworm einen so nassen Empfang beschert hatte. Nun fĂŒhrte es dazu, dass wir noch einmal abdrehten und in einiger Entfernung den Anker fallen lieĂen.
Die Jungs beschlossen, die Zeit fĂŒr ein Bad in der Nordsee zu nutzen. Ich streckte die FĂŒĂe ins Wasser. Nachdem wir tags zuvor den Weltuntergang nördlich und sĂŒdlich von uns zurĂŒckgelassen hatten, kam nun der SpĂ€tsommer auf eine wohlgemeinte Stippvisite zurĂŒck. Die Sonne spiegelte sich auf dem Meer. T-Shirt und kurze Hosen waren alles, was man brauchte, sollte man mehr wĂŒnschen als die Badehose.
Wenig spĂ€ter erspĂ€hten wir dann einige andere Boote, die sich auf den Weg zum Hooger Hafen machten. Und tatsĂ€chlich, die Schleusentore hatten sich zwischenzeitlich geöffnet â also nichts wie hinterher!