Unser letzter Törn fĂŒhrte uns schlieĂlich von Oban aus rund um die Isle of Lismore. Wir kreuzten zunĂ€chst gegen den Wind, um die Engstelle bei Ladyâs Rock passieren zu können. Dann ging es am Leuchtturm von Lismore vorbei, raumschots durch das Loch Linnhe in nördlicher Richtung. Linkerhand erstreckte sich Kingairloch, rechterhand die Isle of Lismore, welche von dieser Seite so gut wie unbewohnt aussah.
Im Wasser machten Trottellummen auf sich aufmerksam. Wir brauchten eine Weile, um die kleinen Kerlchen in den Wellen auszumachen. Sie waren ĂŒberwiegend als PĂ€rchen unterwegs und riefen sich stetig, wĂ€hrend sie im Wasser paddelten. Diese Rufe hatten sie verraten und lieĂen uns nach ihnen Ausschau halten, wie sie es umgekehrt offenbar gerade mit uns taten. Sie waren ĂŒberaus neugierig. Wurde ihnen jedoch der Abstand zum Boot zu eng, tauchten sie schlagartig ab. Die zurĂŒckbleibende Lumme rief dann solange nach dem Vermissten, bis sich dieser wieder weit jenseits des Bootes zurĂŒckmeldete. Auch eine Kegelrobbe nahm uns hier sehr genau in Augenschein. Weit streckte sie ihr Köpfchen aus dem Wasser und schaute uns aus groĂen, schwarzen Augen an. Wie ein Korken trieb sie so eine Weile neben uns im Wasser, bevor sie wieder in ihrem Element verschwand.
Eine Weile lang segelten wir so recht gemĂŒtlich mit mehr oder weniger starkem Sonnenschein durch die schottische Landschaft. Die Regenwolken hatten wir fĂŒrs erste hinter uns gelassen â meinten wir zumindest. Schon von Weitem konnte man bald den Steinbruch von Gelensanda ausmachen, vor allem wegen des dort vor Anker liegenden roten Frachtschiffes. Ansonsten war nur ein kleines Segelboot zusammen mit uns auf der Westseite von Lismore unterwegs. Eigentlich hatten wir ĂŒberlegt, ob wir nicht in der Bucht von Port Ramsay an der Nordspitze der Insel ankern sollten, doch dann kam mal wieder alles ganz anders.
Auf der Höhe des Steinbruchs angelangt, zog von der Halbinsel eine pechschwarze Wolkenfront auf uns zu. Wir wussten mittlerweile, dass das nichts Gutes bedeuten wĂŒrde. Doch schneller und viel heftiger als erwartet, war das Wetter ĂŒber uns. Mit 38 Knoten griff der Wind in unsere Genua. Das GroĂ hatten wir, Gott sei Dank, auf dem Raumschotskurs nicht gesetzt. Beaufort acht â bei solchem Wetter waren wir bisher noch nie auf See gewesen! âBeeindruckendâ ist das Mindeste, was einem dazu einfĂ€llt. So schnell es der alte Furler ĂŒberhaupt zulieĂ, refften wir die Genua und machten mit dem verblieben Handtuch trotzdem eine rasante Fahrt durchs Wasser. Hinter uns sahen wir die Crew des anderen Segelbootes mit den Böen kĂ€mpfen. Ihre Segel flatterten beim Versuch, sie zu bergen. Mit dem Wind kam auch der Regen. Im Ălzeug machte uns dieser nicht viel aus, aber er verleidete uns nachhaltig den Gedanken, heute noch irgendwo vor Anker gehen zu wollen. Der Plan wurde geĂ€ndert: wir wĂŒrden Lismore runden und zurĂŒck nach Oban und zur heiĂen Dusche segeln.
So schnell, wie das Wetter ĂŒber uns hereingebrochen war, so schnell war der ganze Spuk auch wieder vorbei. Als wir Lismore Isle schlieĂlich an ihrem nördlichsten Punkt runden wollten, hatten wir kaum mehr genug Wind, um den geplanten Kurs zu steuern. Achteraus malte sich Shuna Island in den Horizont. Hier bargen wir schlieĂlich unser Handtuchsegel und starteten den Motor. Der Lynn of Lorn wimmelt nur so vor Flachstellen. Einige Felsen lugten verstohlen gerade eben noch so aus dem Wasser, als wollten sie spaĂeshalber schon mal nach dem nĂ€chsten UnglĂŒckseligen Ausschau halten, dem sie sich in den Weg gelegt hatten. An Backbord tauchte das Leuchtfeuer Sgeir Bhuidhe auf. Wieder fing es an zu regnen.
Nach ungefĂ€hr der HĂ€lfte der Strecke ĂŒbernahm ich wieder das Ruder. Die vorlĂ€ufige Kursangabe lautete: das östliche Ende von Pladda Island anzusteuern. Die Positionslichter hatten wir zwischenzeitlich schon eingeschaltet. Der Regen fiel in immer dichter werdenden Schleiern vom Himmel. Noch eine halbe Stunde spĂ€ter war dieser Vorhang undurchdringlich. Dort, wo eben noch meine navigatorische Landmarke gewesen war, war nun nichts weiter als das Grau in Grau dieses Regennachmittags. GlĂŒcklicherweise hatte ich die Eingebung gehabt, kurz bevor die KĂŒstenlinie der Insel völlig im Regen verschwand, meinen Kurs auf dem Kompass abzugleichen. Die folgenden Momente waren also ein Blindflug mit InstrumentenunterstĂŒtzung. So musste es sein, fĂŒhre man durch dichten Nebel, dachte ich noch. Keine Orientierungsmarken waren mehr auszumachen, nur ein vorsichtiges VorwĂ€rtstasten in der Hoffnung, dass der Weg frei wĂ€re (dummerweise verfĂŒgte unsere âGoldrushâ ĂŒber kein AIS).
Doch auch diese Wetterkapriole hielt nicht allzu lange vor. Es wurde heller und langsam, aber sicher tauchte die Welt wieder aus ihrer Versenkung auf. SchlieĂlich hatte es wieder soweit aufgeklart, dass wir uns zu einem erneuten Segelsetzen entschlossen. Unter Segeln ging es dann zurĂŒck, bis Maiden Island querab lag, die kleine Insel, welche die Einfahrt zur Oban Bay markiert. Wir rollten das Vorsegel weg, denn die Bucht sollte nur unter Motor angelaufen werden. Eine VorsichtsmaĂnahme, denn von hier startet ein reger FĂ€hrverkehr der Calmac-Boote zu den Inneren und ĂuĂeren Hebriden. Wie hatten sie so schön in ihrem Video erklĂ€rt? Sollte eine der FĂ€hren ein querkommendes Segelboot mit fĂŒnf kurzen Signaltönen bedenken, sei dies keinesfalls als ein âFriendly Helloâ gemeint. Besser, man kam den groĂen Schiffen gar nicht erst in die Quere und schon gar nicht in der schmalen Zufahrt zur Oban Bay. Also schnell wieder den Motor gestartet⊠Ăhm, schnell wieder den Motor⊠gestartet⊠Hallo, was war das denn?? Martin lieĂ den Anlasser wieder und wieder laufen. Er schnarrte fleiĂig, aber die Maschine sprang nicht an. Gut, noch einmal. Und noch einmal. Nein, nichts. BloĂ jetzt die Ruhe bewahren. Was war denn nur los? Die Batterien waren voll, keine Frage. Getankt hatten wir gerade erst. Warum also lief der Motor nicht? âWir sind ein Segelboot. Wir haben das GroĂ noch oben. Es ist alles okayâ, verkĂŒndete ich, stoisch am Ruder stehend, wieder von der Bucht wegsteuernd, wĂ€hrend die Jungs unter Deck verschwanden. Martin rief die Notfallnummer des Vercharterers an und fing an zu basteln, wĂ€hrend wir mit fast keinem Wind im Lynn of Lorn vor uns hin dĂŒmpelten. Mir ging durch den Kopf, was Christian uns ĂŒber das Anlegen unter Segeln erzĂ€hlt hatte. Nicht, dass ich das nun unbedingt ausprobieren wollte. Es war mehr ein Durchspielen von Möglichkeiten, um mich selbst zu vergewissern, dass unsere Lage blöd, aber nicht tragisch war. Ebenso erinnerte ich mich an Sylkes ErzĂ€hlung, dass auf ihrem Charterboot im Caledonian Canal der Motor kurz vor der Schleuse ebenfalls ausgefallen war. Motorprobleme waren doch nichts Ungewöhnliches â schlieĂlich waren wir doch ein Segelboot, und Segel hatten wir ja nach wie vor. Dennoch war ich fraglos mehr als glĂŒcklich, als die beiden schlieĂlich wieder an Deck erschienen, den Anlasser betĂ€tigten und â juhu, die Maschine endlich ansprang. Was war passiert? Nun, der Anlasser hatte sich vom Motor gelöst. Die Schrauben, die ihn eigentlich am Platz halten sollten, mussten sich im Seegang gelöst haben. Diese hatte Martin im Motorraum gesucht, alles wieder zusammengesetzt und die Schrauben festgezogen. Sicher kehrten wir in die Oban Transit Marina heim. Das Anlegerbier tranken wir mit sichtlicher Erleichterung. Noch lange saĂen wir an diesem Abend im Cockpit und genossen den Ausblick auf Kerrera vor einer fantastischen Kulisse aus Wolken und Licht, Farben und Dunkelheit.