Von Tobermory aus ging es dann zurĂŒck durch den Sund nach Kerrera in die Oban Marina. FĂŒr die kommenden Tage gab es erneut eine Sturmwarnung fĂŒr die nördliche Ecke von Mull, so war es besser, sich rechtzeitig aus dem Staub zu machen und in einer sicheren Ecke Unterschlupf zu suchen. Schon der Morgen begann mit starken Windböen, die durch das Boot fuhren. Es war ein etwas unsanftes Erwachen an unserem letzten Morgen in dieser Puppenstube.

Hinter uns im Sund zog sich recht bald ein ganzes Regattafeld auf. Wir waren nicht die einzigen, die die Sturmwarnung gehört hatten. Alle hatten sich auf den Weg nach SĂŒden gemacht, wo die Lage ruhiger sein sollte. Raumschots fuhren wir also durch den Sund zurĂŒck zur Oban Marina, wo wir am spĂ€ten Nachmittag wieder anlangten. Hier blieb es erstaunlich ruhig. Das Regattafeld hatte sich unterwegs aufgelöst. Nur einige wenige waren uns nach Kerrera gefolgt, andere wĂŒrden wir in den folgenden Tagen in der Transit Marina in Oban wieder treffen, wohin wir uns nach dem Sturm verholen wĂŒrden.

Auf Kerrera hatten wir einen kommoden Platz am Steg ergattert und nutzten die verbliebenen Stunden des Tages dafĂŒr, noch einmal den FĂ€hrservice in die Stadt in Anspruch zu nehmen, um dort unsere VorrĂ€te etwas aufzustocken.

Wieder hatte sich der Wind heimlich angeschlichen. Nun tobte er ĂŒber uns mit gut dreißig Knoten schon den ganzen Morgen. Das Boot, das uns gegenĂŒber am Steg lag, machte trotzdem los. Allerdings schien die Crew auch ĂŒber einige Erfahrung mit dem hiesigen Wetter zu verfĂŒgen. Ihr Boot hieß „First Affair“, ihre Rettungsinsel „Last Affair?“ – schottischer Humor.

In der Mitte der Bucht ankerte eine Luxus-Motoryacht, die on top einen Helikopter-Landeplatz aufwies, inklusive besagtem FluggerĂ€t. HĂŒbscher anzuschauen waren die „Black Guillemots“, Gryllteiste eine Sorte Alk-Vögel ganz in schwarz mit weißen Flecken auf den FlĂŒgeln und knallroten Beinchen. Sie vertrieben sich vereinzelt die Zeit im Hafenbecken der Oban Marina. Auf den Stegen fanden wir die Überreste ihres Mittagsmahls – Scheren und einzelne Beine von Krebsen sowie Muschelschalen.

Der Tag des angekĂŒndigten Sturms begann unruhig mit Hagel und Gewitterböen, doch entpuppte sich das Wetter dann als weit weniger dramatisch, als es in unserer Wetter-App vorhergesagt worden war. Die Grafiken des ziehenden Tiefs waren jedenfalls kolossal beeindruckend gewesen. Unser Nachbar am Steg fasste es schön zusammen: ‚It showed red, then purple and it got darker – so I thought it would be better to come in.‘ Wir nutzen also des restlichen Tag fĂŒr eine Wanderung ĂŒber die Isle of Kerrera.

Vorhersagekarte Windböen, 17. August 2019
Vorhersagekarte Windböen, 17. August 2019

Am folgenden Tag machten wir einen Ausflug nach Oban, um das Dunollie Castle zu besichtigen, die Burgruine , die auf der anderen Seite der Bucht direkt am Hang liegt. Das GelĂ€nde umfasst neben der Ruine ein zum Museum hergerichtetes Gesindehaus sowie eine kleine Parkanlage, die mit wunderbaren Holzschnitzereien verziert worden war. Die Überreste der Burg thronen hoch oben auf der Klippe. Man blickt weit ĂŒber die Bucht, hinĂŒber nach Mull und tief in den Sund hinein. Aufkommender Regen trieb uns in die verwitterten Rudimente des alten GemĂ€uers, um dort ein wenig Schutz zu suchen. Wir verharrten mehr oder weniger unmittelbar unter dem alten Torbogen des Eingangs, klaffte dahinter doch ein kaltes, schwarzes Loch wie ein Riss in der Zeit. Schwer vorstellbar, dass darin einmal Menschen gelebt haben sollten. Vielleicht hatten Feuer diesem Platz ein wenig mehr WĂ€rme und Zuversicht eingehaucht, doch nun war nichts weiter ĂŒbrig als der blanke Stein im grau verhangenen Himmel und im Innern diese grenzenlose Finsternis, die einen lieber zurĂŒck in den Regen treten ließ, als zu weiteren Erkundigungen einzuladen.

Caledonian MacBrayne, Dunollie Castle
Caledonian MacBrayne, Dunollie Castle

Ganz anders dagegen das weißgekalkte Gesindehaus am Fuß der Klippe. Von diesem ging eine gemĂŒtliche WĂ€rme aus, die schnell mit den hier ausgestellten Kindergeschichten der verschiedenen adligen Sprösslinge in Verbindung gebracht werden konnte. Die winzigen Zimmerchen waren vollgestopft mit allerlei Nachlassenschaften vergangener Zeiten. Besonders faszinierend war in dieser Hinsicht sicherlich die KĂŒche und der angrenzende Wirtschaftsraum, in welchem nicht nur KĂŒchenutensilien aus Kupfer und Gusseisen ausgestellt waren, sondern auch RezeptbĂŒcher und Vorratsdosen aller Art, zwischen welche eine liebevolle Hand in Ermahnung an die tatsĂ€chlichen VerhĂ€ltnisse der damaligen Zeit die eine oder andere Stofftierratte platziert hatte.

Dunollie Park, Oban
Dunollie Park, Oban

Ein typisch schottisches Konzept verfolgte wiederum der angrenzende Souvenirshop. Neben allerlei Dingelchen bot man hier vor allem die im lokalen Handwerk selbstgewebten Wollstoffe sowie daraus gefertigte Produkte feil. Allerdings war nirgends Verkaufspersonal zu entdecken. Ein Schildchen am Eingang klĂ€rte uns auf: Man möge bitte nehmen, was einem gefiele und dann unten am PförtnerhĂ€uschen alles bezahlen, wo man auch die Eintrittskarten zum GelĂ€nde erworben hatte. War dieses Vertrauen sicherlich durch die in Großbritannien so weit verbreiteten CC-TV-Kameras abgesichert, verfolgte der Farmshop auf Kerrera dieses Konzept bis hinunter in die tiefsten humanen Anwandlungen. Auch dort wurde auf die Ehrlichkeit der Kundschaft gesetzt, indem man darauf vertraute, dass die Besucher die Preise ihrer gewĂ€hlten Waren selbst auf einem extra dafĂŒr platzierten Zettelblock summierten und den fĂ€lligen Betrag in der offenen Kasse zurĂŒcklassen wĂŒrden. Ich mag dieses Land!

Dunollie Park, Oban
Dunollie Park, Oban

Der Weg zurĂŒck nach Oban fĂŒhrte uns auch zum lokalen Fischmarkt am Hafen. In einem gut besuchten Imbiss wurden hier unter anderem allerlei Krustentiere fangfrisch angeboten. Eine Horde kleiner Kinder stand oder kniete vor den Kisten mit den Krabben. Ihre kleinen Finger strichen ĂŒber die dicken Panzer der urtĂŒmlichen Tiere, als kraulten sie kleine KĂ€tzchen. Auch sĂ€uselten sie ihnen Ă€hnliche Dinge zu wie den Spielkameraden, die sonst mit ihren Samptpfötchen nach ihren WollknĂ€ueln haschen wĂŒrden. Keiner der verzĂŒckt die Szenerie betrachtenden Erwachsenen hielt es fĂŒr nötig, den Kleinen die wahre Natur dieses Ortes und den Zusammenhang mit den Sandwiches zu erklĂ€ren, die alle wenig spĂ€ter mindestens ebenso begeistert verschlangen. ‚Makaber‘ war wohl das Wort, das Sophia und mir bei dem Ganzen durch den Sinn ging.

Am Abend machten wir dann in der Transit Marina in Oban fest. Oban ist zweifelsohne eine Stadt der Möwen. Nicht so extrem wie Glasgow, aber deutlich mehr Tiere hielten sich hier auf als auf den Inseln. Lautstark verkĂŒndeten sie ihre Lufthoheit im Hafen. Die Transit Marina liegt direkt am Puls der Stadt – leider besteht dieser derzeit vor allem aus Autoverkehr, sodass es dort relativ unruhig ist. Die Marina selbst ist nagelneu und ihre Einrichtungen entsprechend gepflegt. Einziges Manko waren die gut 29 Grad, auf welche die RĂ€umlichkeiten der SanitĂ€ranlagen geheizt wurden. Man schwitzte quasi beim Duschen. ‚Vielleicht spart das Wasser?‘ mag man sarkastisch denken. Der Hafenmeister mit seiner beeindruckenden Rasterfrisur stellte das ebenfalls mit Bedauern fest. Schließlich sei das auch eine Frage von Ressourcenverschwendung und Umweltschutz. Doch brauche er entsprechende Beanstandungen seitens der Crews der Boote am Steg, damit er der Verwaltung folgerichtig auf die SprĂŒnge helfen könne. Eine unterstĂŒtzende Mail von uns ist ihm sicher.

Oban
Oban

Weitere Attraktion der Stadt ist McCraig’s Tower, ein Bauwerk auf dem HĂŒgel ĂŒber dem Ort, das an ein römisches Amphitheater erinnert. Wie in einer Filmkulisse stehen hier nur die Ă€ußeren Rundbögen des GebĂ€udes, die besagter McCraig als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte errichten lassen. Nun dient der Tower vor allem den Touristen aus aller Herren LĂ€nder als Fotomotiv und Aussichtsplattform. Bewacht wurde sein Eingang von einer getigerten Katze, die in geradezu stoischer Ruhe die Besucherströme an sich vorbeiziehen ließ, wĂ€hrend sie am Wegesrand in der Sonne döste. Nahezu jeder hielt kurz inne und betrachtete verzĂŒckt das ruhende Tier, das ganz offenbar beschlossen hatte, die ansonsten an solcher Stelle drapierten steinernen Löwen zu ersetzen.

Katze, McCraig's Tower Oban
Katze, McCraig’s Tower Oban