‚Wenn Du jetzt auch noch den Preis für den besten Start kriegst, lach‘ ich mich kaputt!‘ grinste Alexander und meinte damit unseren Skipper. Nicht, dass unser Start nicht gut gewesen wäre. Im Gegenteil, er war sogar ganz hervorragend – allerdings aber auch eher zufällig.
Wenn ich mir überlege, was wir im Jahr zuvor für einen Aufwand getrieben hatten, um einen optimalen Start bei der Regatta hinzulegen: von der Einteilung der Crew über die Nutzung technologischer Gimmicks wie Timer und dann natürlich noch all die Manöver vor der Startlinie… Dagegen war dieses Jahr wirklich ein Witz. Eigentlich wussten wir noch nicht mal, wo genau die Startlinie denn wohl sein würde. Klar war uns nur, dass dort, wo wir sie vermutet hatten, weil sie dort all die Jahre zuvor gelegen hatte, kein Mensch außer uns kreuzte. Also schlossen wir uns dem Pulk an genau der richtigen Ecke an, an welcher heuer der Startschuss für diese Nicht-Regatta fiel.
Zwanzig Boote nahmen teil. Zwanzig Boote fuhren den Kurs ab, der uns allen aus den Jahren zuvor geläufig war und der jetzt – zwar ohne Regatta-Tonnen, dafür aber mit demselben Verve von allen verfolgt wurde. Raumschots Richtung Langeoog, Am-Wind zurück, mit halbem Wind Richtung Festland und wieder zurück – das Ganze zweimal. Ein kleines Motorboot stand in diesem Jahr stellvertretend für das Plattbodenschiff, das sonst als Startschiff wartete. Und, was soll ich sagen? Es war einfach super!
Christian grummelte zwar ein wenig über seine Crew ob unserer etwas zu laxen Wenden. Man vernahm vom Skipper: ‚Nächstes Jahr segeln wir nicht die ganze Strecke raumschots zur Insel‘, und in der Tat, auch das war in diesem Jahr eine Besonderheit. Sonst hatten wir die Regatta-Wenden und -Halsen zuvor ausgiebig geübt, dieses Mal hatte uns der Wind erst aus der Elbe und dann von Helgoland einfach hierher geblasen, ohne dass wir dafür groß mehr hätten tun müssen, als die Tücher hochzuziehen.
Egal, ich genoss es in vollen Zügen. Die erste Runde stand Alexander am Ruder, musste sich mit einem etwas dreisten Jollenkreuzer messen, der uns erst ausluvte und dann an der Wendemarke auf sein Vorfahrtrecht pochte.
In der zweiten Runde übernahm ich das Steuer. War ganz kribbelig vom Adrenalin. ‚Am besten folgst Du dem Schweizer Boot da, der kennt den Kurs‘, wies der Skipper mich an, und ich tat mein Bestes, bis Christian ins Ruder griff und unseren Kurs deutlich nach backbord korrigierte. Ich war verwirrt. Das Boot, dem ich folgen sollte, fuhr doch deutlich weiter an steuerbord. Warum jetzt diese Korrektur? ‚Hast Du mal auf die Tiefe geschaut?‘ kam es vom Skipper. Nein, hatte ich nicht. Oha – ja, nun war alles klar. ‚Die haben viel weniger Tiefgang als wir‘, kam die Erklärung. Ja, mit unseren 1,70m hätten wir dort schön im Schlick gesteckt. Nur gut, wenn einer alles – aber auch wirklich alles – im Blick hatte, nicht nur den Trubel der Boote um einen herum, den Kurs, den Wind, die Crew – sondern eben auch noch das Echolot. Chapeau!
‚Jetzt hast Du den Bogen raus‘, witzelte Alexander später beim Durchschauen der Fotos, von denen etliche das Regattafeld im Sonnenschein und hinter unserem Heck zeigte.