Mallaig lag direkt an der Steilküste, sodass man ziemlich unmittelbar den entsprechenden Anstieg zu bewältigen hatte. Wir versuchten unser Glück an beiden Enden des Ortes. Auf der einen Seite führte der Weg einen ziemlich steilen Hang hinauf – so steil, dass ich die Teerdecke für einen schlechten Scherz hielt. Man konnte doch nicht ernsthaft auf den Gedanken verfallen, diese senkrechte Wand mit einem Auto befahren zu wollen – andererseits… Oben stand dann der örtliche Mobilfunkmast und schließlich auch man selbst, die Aussicht über die gesamte Bucht genießend bis hinüber zu den Small Isles und zur Isle of Skye.

Die andere Seite des Ortes, die wir während unseres Hafentages dort erkundeten, führte ins hügelige Hinterland. Tatsächlich fädelte sich ein recht unscheinbarer Pfad an einigen Grundstücken vorbei, den zu betreten man eigentlich nur deshalb in Erwägung zog, weil man netterweise eine kleine Markierung angebracht hatte, dass es sich tatsächlich um einen Wanderweg und nicht bloß um den Pfad zu den Mülltonnen handelte.
Neugierig begaben wir uns also auf Entdeckungstour und stellten alsbald fest: Ja, auch Mallaig lag in Schottland! Sprich, hinter diesem eher tristen Straßendorf lag dieselbe wunderbare Hochmoorlandschaft mit Bergen und Tälern, kleinen Bächen und von Heide bedeckten Wiesen, wie wir sie ebenso an anderen Plätzen in Schottland bewundert hatten. Wirklich hässlich wurde es hier nie. Einiges war speziell, anderes verursachte einen Schock – wie Glasgow bei der Rückkehr von den Inseln, aber selbst dort gab es Plätze, die an Heimeligkeit kaum zu überbieten waren.

So offenbarte sich uns nun auch in Mallaig recht unvermutet ein wunderbarer Rundweg, der sich aus den Hügeln wieder hinab zur Küste schlängelte. Eine ganze Weile vorher schon blickte man auf das Blau des Meeres vor einem. Schließlich erreichten wir ein winziges Stück feinweißen Sandstrand. Glasklares Wasser plätscherte hier ans Ufer und übte auf mich einen solchen Reiz aus, dass ich wenig später bis zu den Knien darin herumwatete. Eine herrliche Abkühlung nach dem Marsch durch die Berge. Kein Wunder also, dass uns das ältere Pärchen, überhaupt die einzigen Menschen, die uns unterwegs begegnet waren, direkt darauf aufmerksam gemacht hatten: ‚And make sure, you don‘t miss the beach!‘

Um nun die Liste der seltsamen Zufälle komplett zu machen, trafen wir eben hier auf eine der Damen aus dem RNLI-Shop. Ihr gehörte das Cottage, das hier so malerisch am Meer lag. Nicht ohne Stolz erzählte sie uns von diesem Kleinod, das sie bewohnte. Zusammen mit ihrem Mann hatte sie schon vor einiger Zeit ein Projekt zur Wiederaufforstung begonnen. Dabei wies sie auf einen beachtliches Waldstück, das hier seinen Anfang nahm. Das war also Klimaschutz der ganz praktischen Art.
Zurück im Hafen stellten wir fest, dass neben uns eine neues Boot festgemacht hatte. Wir bestaunten es alle – auf die eine oder andere Weise. Wir fanden eindrücklich, dass die Crew erklärte, sie kämen nach Schottland zum Überwintern. Sie kamen von Neufundland, da war Schottland natürlich schon recht weit südlich. Tatsächlich sah das Schiff auch entsprechend aus. Eine große Alu-Yacht, welcher der Expeditionsgedanke deutlich eingeprägt war. Rüdiger ‚bewunderte‘ dagegen vor allem die wenig ansprechenden Linien und das winzige Rigg für dieses ausladende Schiff. Er witzelte sehr darüber: ‚Das Grauen hat einen Namen!‘

Ja, unser neuer Stegnachbar hatte durchaus etwas Kurioses an sich, war aber doch deutlich besser in Schuss als die Seelenverkäufer von Fischkuttern, die im Wesentlichen von ihrem Rost zusammengehalten schienen. Daneben gab es hier noch jede erdenkliche Form und Art von Booten. Die Marina war überaus gut besucht. Kaum zu glauben, dass sie erst kürzlich das Licht der Welt erblickt hatte.

Aber trotz all des Trubels war das Wasser im Hafenbecken glasklar und stellte Fischschwärme und Seesterne auf dem Meeresgrund zur Schau. Vielleicht lag es auch daran, dass wir das graue Wasser der Nordsee gewöhnt waren, dass wir nun direkt ins Karibik-Feeling verfielen. Tatsächlich zeigten sich die schottischen Buchten des Öfteren türkisblau, was endlose Sommernächte zu versprechen schien. Und auf gewisse Weise stimmte das ja auch – hell war es wirklich – allein die Temperaturen… Sehr dankbar waren wir Rüdiger für den Heizlüfter, den er vorsorglich mit an Bord gebracht hatte. Schottische Hochsommer waren halt doch ein wenig speziell.

In Mallaig waren wir noch einmal einkaufen. Immerhin gab es hier einen Coop – wer wusste schon, wann uns wieder einer begegnen würde? Wir hatten eine lange Liste zusammengestellt, denn wir wollten kochen. Curry, das gab es im ‚Empire‘ doch überall – hatten wir jedenfalls gemeint. Tatsächlich standen wir dann mit unserer Liste in besagtem Laden etwas ratlos vor den Regalen. Jede dritte Zutat mussten wir streichen, gab es schlicht nicht. Insbesondere beim frischen Gemüse mussten wir etwas erfinderisch werden. Nun gut. Bedauerlicher fand ich die Sache mit dem Käse – nur Cheddar in verschiedenen Varianten – mit etwas und mit ganz ohne Geschmack – aber das hatten wir auch in Oban beim ersten Bunkern schon festgestellt. Dafür wanderten mehrere Päckchen Oat-Cakes in den Einkaufskorb. Mit besagtem Käse und ein wenig variierender Gemüserohkost gaben sie einen hervorragenden Snack beim Segeln ab – so hervorragend, dass ich nach unserer Rückkehr aus Schottland auf der Suche nach einem Backrezept war, denn natürlich war diese Spezialität von der Insel bei uns nirgends zu bekommen.