„Winter is coming“

Oktober 2024-Februar 2025

Inhalt

Ein HĂŒhnchen ohne Federn

Momentan schaute sie wirklich aus wie ein gerupftes HĂŒhnchen – unsere „Frida“: alles steht offen, damit sich keine StaunĂ€sse bilden kann. Aufgebockt steht sie in Reih und Glied mit den anderen Booten im Winterlager. Der Mast ist gelegt und unter einer weißen Plane versteckt – so weiß, schon beinahe jungfrĂ€ulich – wie wir umgehend von Platznachbarn informiert wurden, als wir die frisch bestellte Plane auf unserem Boot auspackten.

Dennoch ist es immer wieder schön hinzufahren, auch wenn ich oftmals nicht sicher bin, ob der HeizlĂŒfter, den wir dann im Salon anschließen, eigentlich fĂŒr „Frida“ oder fĂŒr uns ist. Unsere Winterarbeitsliste hat sich zwischenzeitlich verselbststĂ€ndigt. Wohl die HĂ€lfte der Dinge, die nun noch zu erledigen sind, hatten wir eigentlich nie vorgehabt und sie dennoch aus dem einen oder anderen Grund begonnen.

Zum Beispiel Alexanders mittlerweile recht innige Bekanntschaft mit unserer backbordseitigen Backskiste, denn dort verbirgt sich der einzig mögliche Zugang zum Tank unter unserem Cockpitboden. An den wollten wir tatsĂ€chlichen aus mehreren GrĂŒnden gelangen. Zum einen sollte der noch verbliebene Bio-Diesel abgepumpt werden. Machen wir nie wieder, die Sauerei! das hatten wir schnell beschlossen und mussten trotzdem noch drei weitere Male die leidige Bohrmaschinenpumpe anwerfen, um auch den Rest der NĂ€hrlösung abzusaugen.

Zum anderen wollten wir den Geber der Tankanzeige begutachten. Die hatte uns beim ÜberfĂŒhrungstörn einige RĂ€tsel aufgegeben. Wir hatten beschlossen, dass eine Kalibrierung dringend notwendig war. Achtung! Warnung an alle Neulinge: solltet ihr bei fĂŒnf Schrauben eine deutlich lĂ€ngere als die anderen vier finden, lasst sie, um Gottes Willen, drinnen! Sie hat einen wichtigen Zweck. Alternativ könnt ihr sonst, so wie wir, die innere Unterlegscheibe eures Gebers blind mit einem billigen Greifer aus dem Baumarkt aus eurem Tank angeln.

Man hört es schon, wir haben einiges Lehrgeld bezahlt. Ist wohl so, wenn man das erste Mal ein eigenes Boot im Winterlager hat und den Ehrgeiz, sich zumindest mit einigen Dingen selbst zu beschĂ€ftigen. Ich gebe zu, Alexanders Ausdauer ist da grĂ¶ĂŸer. Ich hĂ€tte viel frĂŒher die Segel gestrichen und einfach auf die klassische Arbeitsteilung gesetzt – sprich, eine Werft bezahlt, um die Arbeiten fĂŒr uns erledigen zu lassen. Vielleicht auch, weil – und das wurde mir recht bald klar – man mir mein Leben lang erklĂ€rt hatte, dass ich als MĂ€dchen eh keine Ahnung und kein Talent fĂŒr so etwas besĂ€ĂŸe. Mein Bruder wollte sich heute noch totlachen, als wir beim letzten Besuch von unserem handwerklichen Dilettantismus berichteten. Sei’s drum. Ich fĂŒhre fĂŒr mich jetzt Listen mit ‚Und das habe ich gemacht!‘ sowie ‚Und das haben wir zusammen geschafft!‘.

Beim ersten Trans-Ocean-Mikroseminar in diesem Winter musste ich sehr schmunzeln. ‚Wann habt ihr zum letzten Mal gesagt, das habe ich zum ersten Mal gemacht?‘ dies ist ihr Leitspruch zum Schluss jeder Folge. Himmel, in diesem Jahr habe ich das jedes Wochenende mehrfach gesagt!

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