Mull 2019: Küchen-Crew, ahoi!

Loch Linnhe

‚Das nenn‘ ich echtes Commitment!‘ wir lachten und hatten alle denselben Gedanken, als wir den Sicherheitsgurt sahen, welcher den Koch an der Pantry bei Lage vom Umfallen abhalten sollte. Unsere „Goldrush“ war ganz offenbar auch für schweres Wetter und längere Törns auf See gedacht und ausgestattet. Wir auch?

Spannend gestaltete sich das Bunkern in Oban. Eine erste Herausforderung waren schon die wenigen Kilometer von Dunstaffnage aus in die Stadt. Der Vercharterer wünschte bei der Bootsübergabe nur Skipper und dessen Co an Bord. Sophia und ich nutzen also die Zeit – oder hatten das zumindest vor –, um erste Vorräte in Oban einzukaufen. Wir pilgerten zur Bushaltestelle und warteten. Der Bus erschien auch pünktlich. Er bog auf unsere Straße ein. Wir schauten ihn an, er schaute uns an und – fuhr an uns vorbei. Wie bitte? Hey, hallo, wir wollten mitfahren! Einigermaßen entgeistert starrten wir dem Bus auf der Schnellstraße, an der wir standen, hinterher. Und nun? Der nächste Bus würde erst in einer guten Stunde fahren, und wir hatten heute doch noch was vor! Wir entschieden uns kurzerhand für ein Taxi. Judy, hilfsbereite Seele unseres Vercharterers, rief uns einen Wagen, als sie kopfschüttelnd von unserem Malheur erfahren hatte. ‚It will take a couple of minutes. They’re changing the tires.‘ Nun gut, an abgefahrenen Reifen würde unsere Unternehmung also wenigstens nicht scheitern. Wir warteten und warteten und warteten. Nach einer weiteren halben Stunde fühlten wir uns dann doch bemüßigt, noch einmal nachzufragen, ob man denn zusätzlich zu den Reifen noch etwas anderes hatte tauschen müssen. Nein, nun war unser Taxi definitiv auf dem Weg und wenig später wussten wir auch, warum hier alles so lange dauerte: durch Oban quälte sich eine schier endlose Autoschlange – so viel Verkehr am gefühlten Ende der Welt war schon erstaunlich und für die Stadt nicht besonders vorteilhaft: An Lautstärke und Unruhe stand sie Glasgow in nichts nach, obwohl letztere gut fünfundzwanzig Mal so groß war. Warum hier all diese Menschenmassen unterwegs waren, blieb uns ein Rätsel.

Oban
Oban

Endlich im örtlichen Supermarkt angekommen, hatte unsere Odyssee aber leider noch kein Ende. Nicht nur waren hier bis auf wenige Ausnahmen nur die Hausmarken erhältlich und die Suche nach dem Gewünschten gestaltete sich entsprechend komplex, auch schien man die einzelnen Produktgruppen möglichst äquidistant über den gesamten Laden verteilt zu haben, so dass man Mal um Mal dieselben Gänge entlang lief auf der Suche nach so trivialen Dingen wie Nudeln oder Müsli. Eine schier endlose Zeit verbrachten wir mit dem intensiven Studium uns völlig unbekannter Lebensmittelverpackungen. Dennoch gelangte später – aus Versehen – die eine oder andere landestypische Absonderlichkeit in die Schapps unseres Bootes. Ein kulinarischer Tiefpunkt, den ich das Unglück hatte zu ergattern, stellte Orangensaftkonzentrat versetzt mit Zucker und Süßstoff dar. Wer denkt, grüne Deckel signalisierten eher gesunde, also ungesüßte Waren, sitzt demselben Trugschluss auf, welchem ich hier auf dem Leim gegangen war. Und Achtung: Konzentrat meint tatsächlich Konzentrat und nicht trinkbaren Saft wie bei uns. Als halbwegs taugliche Mischung erwies sich später das Verhältnis von einem Drittel Saftkonzentrat und zwei Dritteln Wasser. Alles jenseits davon war schlicht ungenießbar.

Unsere Küchencrew hatte trotz allem viel Spaß bei der Zubereitung unserer Speisen. Auch die restlichen Personen im Salon lachten nicht selten, wenn Sophia die ausgesuchten Rezepte laut vorlas. Sie erforderten beispielsweise ein langsames Köcheln auf kleiner Flamme – ha, unser Ofen war digital: Feuer an oder aus, dazwischen war nichts. Auch die Frage, ob die eine Zutat zuerst und dann die andere in den Topf sollte oder ob sie doch umgekehrt hätten verrührt werden müssen, war bei unserem Zweiflammen-Herd von eher fakultativer Bedeutung. Eindeutig war bei späterer Gelegenheit dagegen der Grund für das Dahinscheiden von Eisbergsalat und Gurke: Beide waren in unserem Tiefkühlloch schlicht am Kühlaggregat erfroren.

Einige Male gingen wir Essen. Am lustigsten war in dieser Hinsicht „The Lorne“, seines Zeichens „Whisky-Pub“ in Oban. Dort gab es das klassische Pub-Food, gutes Ale und – der Name war Programm – eine umfassende Whisky-Karte als Kreideanschrieb umlaufend auf den Wänden durch den ganzen Raum vermerkt. Bei unserem ersten Besuch dort saßen am Nachbartisch zwei Franzosen und diskutierten ihre Urlaubspläne. Entsprechende Reiseführer wurden gewälzt und später dann auch Postkarten geschrieben. Wie eine Partie ‚Solitaire‘ hatte mein Nachbar seine Karten vor sich auf dem Tisch drapiert. Lächelnd betrachtete ich die Szene, hatte ich doch nur wenige Tage zuvor dieselbe Urlaubsaufgabe erfüllt. Wie schön, dass es noch andere gab, die diesem Hobby analoger Zeiten frönten. Mein Tischnachbar lächelte zurück und zeigte mir nicht ohne Stolz die Kunstdruck-Karten, die er noch in seinem Mäppchen hatte. Er hatte eine gute Wahl getroffen…

SKS 2018: Smutjes Zauberkünste

Kombüse "Hamburg Express"

Wasser kochen könne er, verkündete er grinsend in der Runde am ersten Tag. Ich hielt wohlweislich meine Klappe. Kochen war wirklich nicht meine Stärke und sicher auch alles andere als mein Interesse. Diese Woche galt es aber, dass jeder alles einmal machen musste. Insbesondere sollten wir lernen, was wir noch nicht konnten. So war ich froh, dass es einen anderen traf, Lehrling des Smutjes zu werden, doch saß auch ich irgendwann artig unter Deck, Gemüse und Salat schnippelnd.

Smutjes Zauberkünste
Smutjes Zauberkünste

Alex und Folker übernahmen dabei gleichermaßen die Rolle der Ausbildungsleiter in der Kombüse der „Hamburg Express“ und verwandelten zuverlässig unseren 300Euro-Einkauf Tag für Tag in extrem leckere Gerichte.

Fliederbeersuppe. Birnen, Bohnen und Speck. Sogar den gefürchteten Schwarzsauer entdeckte ich staunend auf der Speisekarte des „Kleinen Heinrich“ in Glückstadt – einem wunderschönen Restaurant am Marktplatz – nur für große Leute wie unseren Zweimeter-Fred etwas herausfordernd in der Architektur der verbauten Stützbalken.

"Der Kleine Heinrich", Glückstadt
„Der Kleine Heinrich“, Glückstadt

Der Rest der Crew war hellauf begeistert, waren sie alle doch auf der Suche nach norddeutscher Küche hierher geströmt – und ja, genau das gab es hier, regionale Küche der feinsten Art. Liebe Mama, dies ist ein Eintrag für Dich. In einem anderen Leben hättest Du mit Deinen Kochkünsten ein Restaurant eröffnen können, wer hätte das gedacht? In dieser Speisekarte jagte also ein Kindheits-Déjà-vu das nächste. Zugegebenermaßen hängt mein Herz nicht gerade an diesen Gaumenfreuden – außer natürlich an Bratkartoffeln und Bauernfrühstück und, nicht zu vergessen, am Milchreis. Trotzdem kann dem „Kleinen Heinrich“ auch für den dort angebotenen Gemüseteller ein uneingeschränktes „Lecker!“ verliehen werden.