Das Wetter war ein groĂes Thema fĂŒr uns auf diesem Törn, keine Frage. Es begann spĂ€testens bei unserer Ankunft in der Marina von Dunstaffnage. âHabt ihr schon gesehen?â wollte Martin von uns wissen, der in den nĂ€chsten zwei Wochen das gemeinsam von uns gecharterte Boot â die âGoldrushâ, eine Westerly 36 â skippern wĂŒrde. Er zeigte uns auf seinem Handy die aktuellen Wetterprognosen, und wir verdrehten gemeinsam die Augen. NatĂŒrlich hatten wir schon davor immer mal wieder nachgesehen, was fĂŒr unser Törn-Revier, die inneren Hebriden, vorhergesagt wurde. Aber wir wussten auch von unseren vorherigen Wanderurlauben in Schottland, dass langfristige Vorhersagen hier oben kaum zu haben waren. Redeten die Briten nicht so gerne ĂŒbers Wetter, weil es immer so viel Neues zu erzĂ€hlen gab?
An diesem Mittag in Dunstaffnage betrachteten wir mit gemischten GefĂŒhlen das Tief bei Irland, das langsam aber sich seine AuslĂ€ufer nach uns ausstreckte. Leider wĂŒrde diese Konstellation tatsĂ€chlich in den folgenden beiden Wochen bestimmend fĂŒr unser Wetter bleiben. Es fehlte der ĂŒbliche Hochdruckkeil, der normalerweise die Tiefdruckgebiete weiter nördlich an der schottischen KĂŒste vorbeigelenkt hĂ€tte. In diesem Jahr konnte sich das Hoch nicht durchsetzen, und wir verfolgten mit einer gewissen Faszination das Farbspiel auf den diversen Wetter-Apps. Besser man war vom Wasser wieder verschwunden und lag in einer kuscheligen Bucht wieder gut vertĂ€ut am Steg, bevor Farben und Himmel zu finster wurden.
Dieser Ăberlegung waren wir stets gefolgt, sodass ich nun im Nachhinein schreiben kann, dass die Wetterbeobachtung fĂŒr mich auf diesem Törn eines der spannendsten Themen war, ohne dass es uns in BedrĂ€ngnis gebracht hĂ€tte. Wetter war abends das letzte und morgens stets das erste Thema auf der Tagesordnung. Zwang es uns auf gewisse Weise zwar, in der NĂ€he der wenigen Marinas zu bleiben, sorgte es umgekehrt auch dafĂŒr, dass wir in den vierzehn Tagen ungehinderten WiFi-Zugang hatten und seine Entwicklung folglich gut im Blick behalten konnten.
Noch eindrĂŒcklicher als sein digitaler Fingerabdruck jedoch war das schottische Wetter in persona. Mehr als einmal lag ich in den folgenden beiden Wochen wach in meiner Koje und lauschte darauf, wie sich der angekĂŒndigte Wind geradezu an unser Boot heranschlich, um dann â stetig zunehmend â alle möglichen und unmöglichen GerĂ€usche darauf und auf den Booten nebenan zu intonieren. Man spricht gerne von einem heulenden Wind. Dieser hier fauchte und spielte ein ganzes Orchester aus Wanten, Fallen und allem anderen, was ihm in den Weg kam, nur um dann ebenso klammheimlich wieder zu verschwinden, wie er sich an uns herangemacht hatte.
Keineswegs waren wir ein Spielball einer anhaltenden Schlechtwetterfront, vielmehr zog Sonnenschein, Wind und Regen in immer neuen SchĂŒben und Mixturen an jedem einzelnen Tag ĂŒber uns hinweg. Dauerregen gab es nur ĂŒber dem Festland, bevorzugt in Glasgow, ĂŒber das man notgedrungen an- und abreisen musste und dessen frĂŒhkapitalistischer Industriestadtcharme sich uns einfach nicht erschlieĂen wollte: Zu viel Verkehr, zu viel LĂ€rm, zu viel MĂŒll in den NebenstraĂen und vor allem zu viele Menschen nach all der Zeit im schottischen Outback mit dieser Natur zum Niederknien, dem fantastischen Licht, das einen den Atem anhalten lieĂ. Einer Welt, die so unglaublich jenseitig erschien, dass sie im Hier und Jetzt kaum zu fassen war.
NatĂŒrlich hatten wir Ălzeug dabei. NatĂŒrlich hatten wir gewusst, dass das Wetter hier oben so wechselhaft sein konnte. So unberechenbar, dass ich, ganz verwegen, sogar meinen Badeanzug eingepackt hatte. Man konnte schlieĂlich nie wissen, und es war immerhin August. Baden sind wir schlieĂlich nicht gegangen, dafĂŒr lernten wir, dass Regenwolken nicht nur NĂ€sse bedeuteten, sondern vor allem auch Wind, dass Böen nicht einen kurzen WindstoĂ meinten, sondern so lange anhielten, wie die Wolken groĂ waren. Mehr als einmal fĂŒhlten wir uns von zweien solcher Wolken regelrecht in die Zange genommen und versuchten, aus ihrem Einflussbereich heraus zu kreuzen.
Mindestens ebenso eindrĂŒcklich waren die Wellen und ihre Kraft, die unsere Westerly stets erst ein StĂŒckchen ansaugten, um sie dann regelrecht nach vorn zu spucken. Es waren kleine Wellen, ich will nicht ĂŒbertreiben, aber auch unser Boot war ein ganzes StĂŒck kleiner (36 FuĂ) und vor allem leichter als die Gib Seas (43 FuĂ, 12 t), mit denen wir bisher unterwegs gewesen waren â und dieser Unterschied machte sich nun hier an den Ă€uĂersten AuslĂ€ufern des Atlantiks doch bemerkbar.