An diesem Abend kochte Robert fĂŒr uns ein Ingwer-Limetten-Risotto mit KĂŒrbis-Chutney. Als Vorspeise wurden die restlichen Krabben gereicht. Zum Nachtisch gab es wieder Navigationsaufgaben fĂŒr den nĂ€chsten Tag. Lektion fĂŒnf: Wesentliches Ergebnis dieser abendlichen Berechnungen musste ein Spickzettel fĂŒr die Hosentasche am nĂ€chsten Tag sein: geplante Ankunftszeiten an der nĂ€chsten Ansteuerungstonne und bei anderen Wegmarken, Kurse basierend auf den Windvorhersagen und den vorherrschenden Strömen, das waren die Eckpunkte, die nach allerlei vollgekritzeltem Papier sĂ€uberlich aufgereiht auf dieser einen Seite stehen sollten. Spicken war ausdrĂŒcklich erlaubt. Nur der Wind konnte uns jetzt noch einen Strich durch unsere schöne Rechnung machen, aber damit wĂŒrden wir uns erst am nĂ€chsten Tag befassen mĂŒssen. Den Abend lieĂen wir dann mit einem echten Tasting der auf Helgoland erworbenen schottischen Single Malts ausklingen. Als eine der wenigen Krisen wĂ€hrend dieses Törns, tat sich dabei eine akute Schokoladen-Verknappung auf.
Der nĂ€chste Tag begann mit einem FrĂŒhstĂŒck im Ort. Dieser war vom Hafen einfach zu weit entfernt, um mal eben schnell Brötchen holen zu gehen. So nahmen wir denn die kunterbunte Inselbahn, die auch die vielen FĂ€hrgĂ€ste vom Festland in den Ort brachte. Keine fĂŒnfzehn Minuten spĂ€ter stiegen wir schon wieder aus diesem Bummelzug aus. Schnell hatten sich die Leute in den autofreien Gassen des Ortes verteilt. Allerdings hatte Christian uns vor eben jenen StraĂen gewarnt, denn anders als auf Spiekeroog wĂŒrden die Radfahrer hier bloĂ klingeln und nicht bremsen.
Im gewĂ€hlten CafĂ© rĂ€umte man uns extra einen Platz auf der Terrasse zurecht, immerhin kamen wir ja mit acht Leuten. UngefĂ€hr zu dieser Zeit gesellte sich noch ein neunter dazu: die SpĂ€tsommersonne, die uns nun bis zum Törnende begleiten sollte. Wieder speisten wir königlich, danach zog es uns zum Strand. Vor uns lag ein langer, fauler Tag, wollten wir uns doch erst am Abend wieder die Leinen loswerfen. Auf dem Weg zum Wasser löste sich unsere Gruppe nach und nach in ihre Bestandteile auf, verlor sich in ein paar KrimskramslĂ€den aus den Augen und fand sich doch ebenso zielsicher nach einem herrlichen Strandspaziergang in denselben kleinen GĂ€sschen des Ortes wieder. Den Weg zurĂŒck zum Hafen spazierten wir zu FuĂ. Kamen an âLangeoog Internationalâ vorbei und spotteten ein wenig ĂŒber die Stoppelhopser, mit denen man hier von Insel zu Insel oder zum Festland fliegen konnte.
Der Hafen war zwischenzeitlich weitestgehend trockengefallen. Boote, GĂ€nse und Möwen steckten hier gleichermaĂen im Schlick. Es gab schon einen Grund, warum wir unseren Aufbruch erst fĂŒr so spĂ€t am Tag geplant hatten. Auch unsere âHelgoland Expressâ stand sicher in nun etwas weniger flĂŒssigem Wasser am Steg. Zwar hatte Christian sie geistesgegenwĂ€rtig noch einen Platz weiter nach vorn am Steg verholt, aber auch hier blieb kein Wasser unter dem Kiel mehr ĂŒbrig. Wir wĂŒrden eben noch etwas warten mĂŒssen. Interessiert stellten wir bei dieser Gelegenheit fest, dass unser Lot sein neues weiches Polster wohl als Aufforderung zu ganz neuartigen Berechnungen aufgefasst hatte. Jedenfalls verkĂŒndete es uns am Plotter unter Deck die erstaunliche Wassertiefe von 42 Millionen Metern, wĂ€hrend es im Cockpit ĂŒber Stunden hartnĂ€ckig an 1,3 Meter Wassertiefe festhielt. Beides war gleichermaĂen absurd, doch mindestens ebenso unterhaltsam wie die Kinder am Nachbarsteg, die kaum fassen konnten, dass sie mit ihrem einfachen Handkescher tatsĂ€chlich einen Aal gefangen hatten. Bald wusste das der ganze Hafen, so begeistert erzĂ€hlten sie es jedem, der auch nur in Hörweite gelangte. Als sich spĂ€ter die Aufregung um das Tier etwas gelegt hatte, fragten wir nach, was denn nun daraus geworden sei und erfuhren so von wohl ersten wesentlichen betriebswirtschaftlichen Einsichten der JĂŒngsten: Merke, Lektion sieben, lassâ Deinen Fang nie vorschnell frei, es könnte sein, dass jemand vorbeikommt und Dir zehn Euro dafĂŒr bietetâŠ
Derweilen saĂen wir im Cockpit und warteten darauf, dass das Wasser wieder etwas flĂŒssiger wĂŒrde. Wir beobachteten einen Schwarm BrandgĂ€nse und vier Löffler, die den Schlick nach Essbarem durchsiebten. âUnd, was macht der Aal?â Ja, es dauerte noch eine ganze Weile, bis unser Schiff wieder schwamm, aber gegen 19 Uhr konnten wir dann doch endlich die Leinen loswerfen.
Zugegeben, Spiekeroog bei Nacht anzulaufen, wĂ€re uns sicher nicht in den Sinn gekommen. Der RevierfĂŒhrer schlieĂt diese Möglichkeit schlicht aus und schlĂ€gt alternativ vor, man könne ja immer noch Helgoland anlaufen⊠Dass wir nun trotzdem taten, was im Buch als Unmöglichkeit deklariert worden war, lag an Christian, der Spiekeroog als ehemaliger Insulaner praktisch wie seine Westentasche kannte. Und so ging es nun im anbrechenden Abendlicht mit Susan am Steuer gen Otzumer Balje.