Trotz der fĂŒr manchen so frĂŒhen Stunde erschien die Crew ohne groĂes Zögern pĂŒnktlich zum Ablegen. Vor allem die âElbe Expressâ neben uns wollte mit ihren Zwei-Metern-Tiefgang schnell das Weite suchen. FĂŒr uns war es nicht ganz so eilig, aber trödeln sollten wir nun auch wieder nicht.
âDa musst Du Dich mehr mittig halten!â ermahnte er mich, als wir durch das Wattfahrwasser ausliefen. âNicht so weit an den Rand. 1,70! Siehste?â Unser aller Blick klebte am Lot, als könnten wir auf dieser digitalen Anzeigen mitten im Boot das tiefe Wasser finden, das uns nach und nach auszugehen schien. Zumal nun auch in die anderen Boote im Hafen Bewegung kam. Von hinten schossen Motorboote auf, die offensichtlich an uns vorbei wollten, aber Platz machen war halt gerade schwierig, wollten wir nicht Austernfischern, Löfflern und Sandregenpfeifern im Schlick Gesellschaft leisten. Ein hörbares Aufatmen ging mir von den Lippen, als wir endlich das Fahrwasser jenseits des Prickenwegs erreicht hatten. Hier konnte nichts mehr passieren.
Lasst denn die Spiele beginnen, und wir begannen sie sogleich, wenn auch nur zu unserem eigenen VergnĂŒgen, denn unser Startfenster lag erst um 09.20 Uhr â also noch jede Menge Zeit, den wunderbaren Segelwind und das tolle Revier fĂŒr uns zu nutzen. Hier wurde mir schlagartig auch ein wesentlicher Unterschied zwischen Regatta und Langfahrt bewusst: FĂŒr die Regatta konnte es nicht schnell genug gehen, der Wind nicht krĂ€ftig genug blasen â schien es mir. Im Handumdrehen waren wir mit flinken acht Knoten und mehr unterwegs. HĂ€tte ich sonst schon ĂŒber ein erstes Reff nachgedacht, genoss ich nun den durch den Fahrtwind im Am-Wind-Kurs heraufbeschworenen Geschwindigkeitsrausch. Wir fuhren die Regattastrecke ab, auf der zwischenzeitlich auch die gelben Wendebojen ausgebracht worden waren und auf der sich mehr und mehr Boote aus dem Spiekerooger Hafen zu uns gesellten.
Und dann â hatte ich es nicht schon gesagt? – âMeine GĂŒte, ist das aufregend!â warteten wir kreisend und kreuzend auf unseren Startschuss. Hier ĂŒbernahm Christian dann das Ruder, um fĂŒr einen perfekten Start zu sorgen. Zweifelsohne hatte er sich ĂŒber die notwendige Taktik mehr Gedanken gemacht als seine restliche Crew zusammengenommen. Ehrlich gesagt, ich hatte ĂŒberhaupt nicht darĂŒber nachgedacht. HĂ€tte mich angesichts der Menge der kreuz- und querschieĂenden Boote auch hoffnungslos ĂŒberfordert gefĂŒhlt. Klar, Regattafahren war spannend, aber ein Meer fĂŒr sich alleine zu haben war allemal besser!
Bevor es wirklich losging, fĂ€rbte sich das Fahrwasser plötzlich kunterbunt. Seekajakpaddler wuselten in ihren farbigen UntersĂ€tzen kreuz und quer. Hatte ihnen denn niemand gesagt, dass hier gleich eine Regatta starten wĂŒrde?
Ich gebe zu, an jenem Morgen hatte mich das Wettkampffieber gepackt. Wir wussten, nach welchen Booten wir besonders Ausschau halten mussten, weil sie in unserer Klasse fuhren. Zwei versuchten, mit Gennaker ihren Vorteil zu ersegeln. Das hielt uns aber nicht davon ab, das bunte Treiben um uns herum zu beobachten. Besonders schön fand ich die vielen bunten Spis ebenso wie die beiden Plattbodenschiffe, die im letzten Startfenster ausliefen. Eines davon gehörte zum inseleigenen Segelclub. Leider passierte ausgerechnet ihr ein Malheur, das wir erst ĂŒber Funk und dann mit eigenen Augen mitbekamen. Die âTuitjeâ erschien plötzlich ohne Mast auf der BildflĂ€che. Sie war mit ihrem neuen Bugsprit mit dem Startboot kollidiert, war dann zur Sichtung der SchĂ€den in den Hafen gefahren und mit gelegtem Mast zurĂŒckgekehrt, um wenigstens drauĂen zu sein, wenn schon die Regatta fĂŒr die Crew vorbei war. Sie bot einen traurigen Anblick, aber zum GlĂŒck war niemand verletzt worden und alles andere konnte man reparieren
Einen ebenfalls eigenartigen Anblick â wenn auch ganz anderer Art â bot zeitweilig unser Schwesterschiff, das wir natĂŒrlich auf jeden Fall schlagen wollten. Auf dem Vorwindkurs wurde dort kurzerhand ein Crewmitglied mit Bootshaken aufs Vorschiff geschickt, um die Genua zum Schmetterlingssegeln auszubaumen. Wir hatten zum selben Zweck zwei Leute zum Schnellaufbau des Spibaums ausgebildet und beglĂŒckwĂŒnschten uns nun zur gelungenen Taktik â sahen wir doch die âElbe Expressâ mit besagtem Crewmitglied stets achteraus.
Bootsklasse um Bootsklasse schloss ihre Regattastrecke ab, und dann ging es auch fĂŒr uns zum Zieleinlauf. Noch eine Wende mehr war nötig, um die Ziellinie queren zu können.
SpĂ€ter wĂŒrde Christian darĂŒber rĂ€sonieren, dass er den Zeitpunkt fĂŒr die Wende falsch gewĂ€hlt habe, was uns die wenigen Sekunden gekostet hĂ€tte. Ich war der Meinung, dass es daran lag, dass ich die Genua zu frĂŒh losgeworfen hatte. Wahrscheinlich hegte jeder auf unserem Boot seine eigene Theorie darĂŒber, woran es gelegen haben mochte, lĂ€cherliche dreizehn Sekunden zum Sieg verschenkt zu haben. Seiâs drum, wir wĂŒrden einfach im nĂ€chsten Jahr wiederkommen mĂŒssen, um uns von einer noch besseren Seite zu prĂ€sentieren. Der Plan war lĂ€ngst gefasstâŠ