âDa vorne kommen sie!â alle, die wir gerade auf dem Vorschiff standen, hielten inne. Unsere Sicherheitseinweisung pausierte fĂŒr ein kurzes Fotoshooting. Ein KnĂ€uel Boote schob sich nun an der Zufahrt zum Köhlfleet vorbei. âSieâ das hieĂ in diesem Moment die neue âMaliziaâ von Boris Herrmann nebst Begleitbooten. Letztere waren klar erkennbar, erstere lieĂ sich dagegen nur erahnen. Dort, wo aus dem Gewusel ein pechschwarzer Karbonmast in den Himmel stach, musste die neue Rennyacht sein. Mehr konnten wir von unserer Position aus nicht erkennen.
Nach einem andĂ€chtigen âOhâ fĂŒr den deutschen Vendee Globe-Teilnehmer und gefĂŒhlten Sieger der Herzen, der auf angenehme und spannende Weise mit seinen Berichten von See uns allen den letzten Pandemie-Winter verkĂŒrzt hatte, waren wir wieder alle Feuer und Flamme fĂŒr unser eigenes Boot â die âHelgoland Expressâ, eine GibSea 43, die uns in den nĂ€chsten zehn Tagen zu den Ostfriesischen Inseln tragen sollte.
Wir, das waren in diesem Fall, neben unserem Skipper Christian, Silke und Robert, die schon im letzten Jahr beim ersten Insel-Tasting dabeigewesen waren und nun zusammen mit Alexander und mir dem âVielleicht-Juistâ entgegenfieberten. Neu hinzugekommen waren auĂerdem Richard, Utz und JeĂ. Letztere zwei bekennende WiederholungstĂ€ter unserer Yachtschule und Richard als gestandener Ostsee-Segler, der in den kommenden Tagen mehr als einmal ĂŒber trockenfallende HĂ€fen, Wattfahrwasser, Pricken und andere Besonderheiten des Tidensegelns staunen wĂŒrde.
So kam es also, dass wir, als Deutschlands bekannteste Rennyacht den Hamburger Hafen ansteuerte, mehr oder weniger zeitgleich mit den Köpfen im Ankerkasten steckten, damit befasst, den Haltestropp des Ankers zu klarieren. In unserem Segelclub war schon Wochen vor dem Einlauftermin der âMaliziaâ von kaum etwas anderem die Rede gewesen, doch fĂŒr uns ging es nun um den eigenen Aufbruch und das war mindestens ebenso aufregend wie das Karbongeschoss vor dem Köhlfleet.
Ăberhaupt war dieser Törnbeginn einigermaĂen ungewohnt, lagen wir doch zur Mittagszeit immer noch an Roberts Steg vertĂ€ut. Die letzten Male waren wir immer in aller (gefĂŒhlten) HerrgottsfrĂŒhe aufgebrochen. Tidensegeln eben. Und unsere diesmalige Tide, die uns die Elbe hinunter zum Meer tragen sollte, setzte erst kurz nach Mittag in die richtige Richtung. Auch anderes war an diesem Tag zumindest merkwĂŒrdig: am Tag zuvor war noch Ostwind mit StĂ€rke fĂŒnf bis sechs gemeldet gewesen und somit der Plan, wenigstens bis Cuxhaven, wenn nicht sogar gleich bis Helgoland durchzusegeln. Als wir nun in Hamburg aber endlich die Leinen loswarfen, waren wir alles andere als sicher, dass sich dieser Plan wĂŒrde realisieren lassen. Zwar blies der Wind weiterhin artig aus Ost, aber eine FĂŒnf bis Sechs war es sicher nicht. Nun gut, wir wĂŒrden sehen, wie weit er uns gegen den Strom spĂ€ter am Tag wĂŒrde schieben können.
âDann ankern wir halt, wenn es nicht weitergehtâ, meinte Christian lakonisch. Auf alle FĂ€lle wollten wir es bis hinter GlĂŒckstadt schaffen. Und das taten wir dann auch. TatsĂ€chlich nahm der Wind auch wieder etwas zu, sodass wir es schlieĂlich mit gutem Tempo bis in die Oste schafften. Hier hatten wir schon einmal gelegen und den Schiffen im Hauptfahrwasser hinterhergetrĂ€umt. Auch an diesem Abend belohnte uns die kleine Ankerbucht mit einer hinreiĂenden Kulisse: der Elbe im Sonnenuntergang, bevor wir dann fĂŒr ein erstes wohlverdientes Mahl im gemĂŒtlichen Salon unter Deck verschwanden und bald darauf auch in unseren Kojen, denn noch in derselben Nacht sollte es mit der richtigen Tide weiter zur roten Felseninsel gehen.