Nachts drehte der Wind und drĂŒckte die âHelgoland Expressâ gegen die Dalben. Christian und Alexander bastelten die Fender neu. So erzĂ€hlten sie es mir jedenfalls am nĂ€chsten Morgen, denn ich bekam von alldem nichts mit. Gehört hatte ich lediglich, dass nachts einer der Frischwassertanks leergepumt war, und die Zufuhr umgestöpselt wurde. Robert dagegen berichtete von seinem stetigen Summen im Mast, das er vernommen hatte. âHeute Nacht haben einige Leute was gehörtâ, stellte Christian mit gerunzelter Stirn fest, âaber alle was anderes.â Dann ging er den einzelnen Vorkommnissen auf den Grund.
Auf den Grund gegangen war Alexander tags zuvor auch dem abgesprungenen Steuerseil des Steuerbordruders. Ganz hinten in unserer AchterkajĂŒte gab es dafĂŒr eine Wartungsklappe, in der er zeitweilig steckte und herumhantierte. Ab und an wurde nach bestimmten SchraubenschlĂŒsseln verlangt und dann oben am Ruder gedreht um festzustellen, wie weit die Arbeit wohl schon gediehen sei. Es klappte. Alles sei nun wieder fest und gegengemuttert â es geht doch nichts ĂŒber feste Familienbande!
Nach der ersten fĂŒr uns alle etwas unruhigen Nacht waren wir mehr als froh, dass die nĂ€chste an einem anderen Platz verbracht werden sollte. Wir verholten das Boot in den kleinen Yachthafen. Ja, eben den mit dem angeblichen âharten Sandâ, der sich bei nĂ€herer Untersuchung mit Hilfe des Bootshakens als weicher Schlick entpuppte. Wieder ein Mythos weniger.
Von Baltrum hieĂ es, dass man âbald rumâ sei und das war auch unser Plan â einmal die Insel umrunden, aber vor allem einmal im Osten nach der Accumer Ee schauen, das Seegatt zwischen Baltrum und Langeoog. Und â in der Tat â man hatte wirklich den Eindruck, direkt hinĂŒber laufen zu können, so dicht lagen die Inseln bei Niedrigwasser hier beieinander: ein langgestreckter Sandstrand â man tritt zwischen den DĂŒnen hervor. Links und rechts wĂ€chst noch etwas Strandhafer auf dem feinen Sand. Deutlich erkennt man, wohin ĂŒberall das Wasser schon seine FĂŒhler ausgestreckt hat. Ich stelle mir vor, wie all das hier in der Flut versinkt.
TatsĂ€chlich keine abwegige Vorstellung, hatten wir doch im Nationalparkhaus auf Juist gelernt, dass schon zwei ganze Inseln sang- und klanglos untergegangen waren. Bant und Buise â Namen, die man liest und wieder vergisst. Nichts ist hier von Dauer â vielleicht ist das das Faszinierendste daran. Vieles hat der Mensch sich einfallen lassen: Deichbau, EntwĂ€sserungsgrĂ€ben, Landgewinnung. Auch davon handelte die Ausstellung im Nationalparkhaus: das zĂ€he Ringen des Menschen mit dem Meer, das doch stets die Oberhand behalten hatte.
Der RĂŒckweg am Strand fĂŒhrte uns an SchwĂ€rmen von Sandregenpfeifern vorbei. So eng saĂen sie beieinander. Es war erstaunlich, wie nah man ihnen kommen konnte. Und doch â im letzten Augenblick stoben sie auf, nur um sich ein paar Meter weiter wieder zusammen niederzulassen. Auf Juist hatten wir Sanderlinge beobachten können. Jene waren dort so hĂ€ufig, dass sie in den SouvenierlĂ€den auf allerlei Krims und Krams verewigt worden waren. Hier auf Baltrum war es aber eindeutig der Sandregenpfeifer, der den Schnabel vorne hatte. Zu gerne hĂ€tte ich sie einmal aus der NĂ€he beobachtet, aber keine Chance. Ein Schritt zu weit und schon war der ganze Schwarm in Bewegung.
Froh war ich darĂŒber, dass ich dieses Mal trotz Standspaziergang die Schuhe anbehalten hatte â so viele Muschelschalen ĂŒberall! Das hatten wir schon beim allerersten Ausflug an den Strand festgestellt â dass es hier mitunter â autsch, recht spitz zugehen konnte. Und auch recht steil; das Wasser wurde gleich tief. Der Sand wies deutliche Abbruchkanten auf. Die Insel wirkte, als hĂ€tte ein Kind sie mit seinem Sandförmchen auf den Wattboden gesetzt – nicht so langgestreckt, nicht so weitlĂ€ufig wie Spiekeroog und Juist.
Am westlichen Ende kam eine Betonbefestigung, dort nagte die Wichter Ee an der Insel â das einzige Seegatt, das nicht zu befahren war. Und – nein â warf man von Land aus einen Blick darauf, verging einem auch wirklich jegliche Lust dazu. Als wir Baltrum tags darauf verlieĂen, hörten wir die Wichter Ee noch durch das halbe Baltrumer Wattfahrwasser toben. Ihre Brandung brĂŒllte derart, dass sie fĂŒr uns erst in der Accumer Ee verstummte. Was fĂŒr ein UngetĂŒm, das den kleinen Sandhaufen hier belauerte! Stoff fĂŒr tausend und eine Schauergeschichte â selbst im schönsten Sonnenschein.