Am nĂ€chsten Tag machten wir dann die Hallig unsicher. Gemeinsam zogen wir los um anzuschauen, was man hier vielleicht anschauen konnte. Sehr flaches Land zum Beispiel, ĂŒberall von Wasser durchzogen. Schnurgerade Wege im GrĂŒn der Wiesen und – wie hingetupft – auf ihren Warften thronende HĂ€uschen und Höfe.

Kirchwaft Hallig Hooge
Kirchwarft Hallig Hooge

Die Kirchwarft erkundeten wir als erstes. In die Dalben geschnitzte Evangelisten, ein winziges Gotteshaus. Votivschiffchen im Kircheninnern. Davor ein kleiner Friedhof. So ruhig wie der Rest von Hooge – oder fast, denn im Westen sahen wir die erste FĂ€hre anlanden, und schon kurz darauf zockelten die Pferdewagen mit den Touristen los.

Kirchwarft Hallig Hooge
Kirchwarft Hallig Hooge

Noch vor diesen erreichten wir die Hanswarft, die mit dem „Königspesel“ warb. Mit dem was? Ja, genau – mit der guten Stube eines KapitĂ€ns, in der einmal König Friedrich VI. von DĂ€nemark ĂŒbernachtet hatte. Das untere Stockwerk des Reetdachhauses war als Museum zu besichtigen, der Rest schien weiterhin bewohnt. Als erste Gruppe in dieser Ausstellung an diesem Tag hatten wir das GlĂŒck, dass die Dame, die hier fĂŒr Einlass und Betreuung zustĂ€ndig war, unserer Gruppe an einem StĂŒck ihre Geschichte von der berĂŒhmten Stube mit den Delfter Bibelfliesen, der Aussparung in der Decke fĂŒr die zu groß geratene Standuhr und natĂŒrlich von dem Alkoven und den im Sitzen schlafenden Friesen erzĂ€hlen konnte – der König schaffte es im Liegen, er war ja auch nicht besonders groß, sodass ihm die 1,60 m FlĂ€che reichten. Nach und nach kamen mehr und mehr Leute in den kleinen Raum, und die Geschichte begann fĂŒr jeden aufs Neue. Der Text war gut einstudiert, aber die neuen Besucher kamen so tröpfchenweise, dass die gute Frau sich bald anhörte wie eine kaputte Schallplatte mit einem Sprung.

Hanswarft Hallig Hooge
Hanswarft Hallig Hooge

Wir gingen derweilen weiter und standen – schwups – auch schon wieder im Freien. Wirklich groß war hier nichts, eher klein, aber fein. Wie ein Dorf im Dorf erschien uns das Innere der Warft. War man erst einmal am Edeka-Laden vorbei, war man wie in einer anderen Welt angekommen. Die Sonne schien durch die BĂ€ume auf den Teich hinter dem Königspesel. Trat man noch einen Schritt weiter, stand man auch schon wieder am Rande der Warft und blickte hinaus auf endlose Weiden. Seltsam – von keinem Punkt aus sah man hier das Meer, wo es doch so nah und fĂŒr die Menschen auf ihren beinahe wörtlich schwimmenden Höfen doch auch so bedrohlich war. Halligen hatten ich mir immer viel unmittelbarer mit dem Wasser verbunden vorgestellt. Selbst die Elbinseln kamen meinem Bild einer Hallig nĂ€her als dieses echte Eiland in der Nordsee. Aber natĂŒrlich war klar, dass man das Wasser hier nicht bis vor die HaustĂŒr wollte schwappen sehen. DafĂŒr wollte das Meer zu viel und hatte sich auch schon zu ausgiebig bedient. Abstand war da besser.

Strandschuhe auf der Hanswarft
Strandschuhe auf der Hanswarft

Insgesamt schien das Hallig Völkchen aber ĂŒber eine gute Portion Humor zu verfĂŒgen. So war nicht nur

der Hallig-Briefkasten tidenabhĂ€ngig, nein, auch die Schuhe der letzten zehn Jahre stapelten sich hier in Einzelexemplaren als StrandfundstĂŒcke vor den FensterbĂ€nken eines der ReetdachhĂ€uschen. Prominent aufgehĂ€ngt wurde der „Schuh der Woche“ prĂ€sentiert. Keine schlechte Sammlung! HĂ€tten wir den Treter aus dem Pellwormer Hafen gar mitbringen sollen? Wahrscheinlich wĂŒrde er seinen Weg von ganz allein hierher finden


Schuh der Woche, Hanswarft
Schuh der Woche, Hanswarft

Nett war auch das Schild am Kiosk: ‚Wir tauschen Ihr gebrauchtes Geld gegen frische Crepes und Waffeln.‘ Endlich mal ein sinnvoller Vorschlag, was man mit dem alten Zeug anfangen sollte!

Wir zogen weiter. Der Rundweg sollte uns zurĂŒck zum Hafen fĂŒhren, denn gegen Mittag wollten wir schon wieder weiter. Inzwischen brannte die Sonne regelrecht vom Himmel. Schon von Weitem sahen wir unseren Skipper, auf seinem Einrad auf uns zu radeln. Die Welt war klein und ebenerdig – gerade hier auf einer Hallig. Das fanden auch die fĂŒnf anderen Fahrradfahrer, die just in dem Moment durch diese einzige Straße wollten, als wir sie mit sechs Mann und einem Einrad verpfropft hatten.

Warft auf Hallig Hooge
Warft auf Hallig Hooge

Christian wollte noch ein bisschen Insel-Gucken, wir wollten dringend die FĂŒĂŸe hoch- und uns in den Schatten legen. So lösten wir den Stau schnell wieder auf und schlenderten am mit Fernglas bewaffneten Hafenmeister vorbei zurĂŒck zu unserem Schiff. Wir mussten noch aufs Wasser warten. Es kam erst langsam zurĂŒck ins Hafenbecken, bedeckte dort wieder die etwas unansehlichen Schlickgebirge nebst Rinne, die wir mit unserem Kiel ganz frisch in den Matsch gezogen hatten.

Mit dem steigenden Wasser nahm die Dichte an knallbunten Seekajaks kontinuierlich ab. Es herrschte allgemeine Aufbruchstimmung. Auch bei uns, aber noch war unser Boot noch nicht wieder ganz aufgeschwommen. Skipper nebst Einrad waren lĂ€ngst wieder an Bord, und wir warteten immer noch, bis die erste Bewegung ankĂŒndigte, dass der Rumpf wieder frei vom Schlick war. Jedenfalls dachten wir das.

Die Crew war gerĂŒstet, aber das Ablegemanöver verlief – nun, nicht im Sande, aber blieb doch im Modder stecken. Also noch etwas weiter abwarten, dem Wasser zuschauen, wie es langsam in den Hafen gurgelte. NachfĂŒhlen, ob wir den Eindruck hatten, unser Boot schwimme wieder. Das Lot konnten wir jedenfalls vorlĂ€ufig vergessen. Es hatte sich mit Schlick zugesetzt und war nicht willig, eine irgendwie sinnvolle oder hilfreiche Auskunft zum Wasserstand zu verkĂŒnden. Erst bei der nĂ€chsten Fahrt wĂŒrde es wieder frei gespĂŒlt werden. Bis dahin war also alles eine Frage des GefĂŒhls, wann wir von diesem interessanten Eiland wohl wieder loskommen wĂŒrden.