Von Hooge aus brach auch die „Rubi“ mit uns auf. Sie und ihre junge Crew trafen wir später auf Föhr wieder. Ihr Skipper, ein blonder Bengel von der Insel, klönte mit uns in der ultramodernen Marina in Wyk. Wo wir herkämen? Nach Helgoland hätte er auch schon immer mal gewollt. Traue es sich derzeit aber noch nicht zu. Und – oh, aus Hamburg – ja, da wollte er definitiv auch noch hin – aber dafür sei sein Boot wohl zu klein. Dabei habe er sich doch gerade erst vergrößert – auf ganze sechs Meter immerhin. Wir mussten lachen und wünschten ihm viel Glück. Ich bin mir sicher, dass er beide Törns in den nächsten Jahren in Angriff nehmen wird.
Auf Föhr angekommen, war das Ziel also die Marina in Wyk. Wir fuhren in den Hafen, um uns nach einem Plätzchen umzuschauen. Die Stege waren gut belegt, viele interessierte Blicke folgten uns und bald auch gut gemeinte Ratschläge. Der erste bezog sich auf die Wassertiefe des Hafenbeckens, die bald nicht mehr für unseren Kahn ausreichen würde, da waren wir schon beim entsprechenden Rückzugsmanöver. Der nächste, der uns vom Steg aus zugerufen wurde, war auf seine Weise besonders nett gemeint: Wir könnten doch an dem und dem Steg weiter vorn festmachen. Dort läge normalerweise das Boot der Mutter eben jenes Ratgebers und die sei gerade unterwegs.
Muttis Parkplatz steuerten wir dann aber doch nicht an, denn zwischenzeitlich hatten wir für uns eine freie Box erspäht. Christian wollte dort rückwärts anlegen. Um halbvier am Nachmittag hatten wir damit schon das nächste nordfriesische Eiland erreicht – massig Zeit also, um sich noch ein wenig den Ort anzuschauen, bevor wir abends essen gehen wollten.
Auf Wyk war ich einigermaßen gespannt. Vor einer gefühlten Ewigkeit war ich schon einmal hier gewesen, noch als Kind damals. Nun war ich neugierig, ob mir wohl noch etwas Bekanntes begegnen würde. Schwach erinnerte ich mich an ein Aquarium am Hafen. Dort hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben Seepferdchen gesehen. Ebenso entsann ich mich an Einkaufsstraßen zum Bummeln und an zwei Frauen in friesischen Trachten, die meine Mutter so unbedingt hatte fotografieren wollen, dass es eine regelrechte Verfolgungsjagd durch die Gassen wurde. Schließlich holten wir die beiden Damen ein, meine Mutter postierte mich zwischen die Trachten und machte ihr Foto. Ihre Tochter hielt sie auch leidlich gut im Bilde fest. Völlig erschöpft und außer Atem posiere ich nun für alle Ewigkeiten zwischen zwei Damen in üppigem Silberschmuck und ohne Köpfe.
Föhr scheint die Insel abstruser Kindheitserinnerungen zu sein. Als wir von unserem Törn wieder zurück waren und ich mit einem Stapel Fotos im heimischen Garten saß, erzählte mir unser Nachbar strahlend von seinen Begebenheiten auf dieser Insel. Auch er war als Kind dort gewesen – mit der Kinder-Landverschickung zum Wieder-Aufpäppeln, wie er meinte. Und später dann Mal um Mal auf eigenem Kiel. So ziehen die Inseln also ihre früheren Besucher wieder und wieder in ihren Bann, dachte ich. Wer weiß, wann und wie ich das nächste Mal dorthin gelangen würde.
An diesem Tag im September machten wir uns jedenfalls auf den Weg in den Ort, von dem ich natürlich überhaupt nichts wiedererkannte. Eine breite Strandpromenade zog sich mit diversen Läden und Restaurants am Strand entlang. Der Ort war voller Menschen, die in der Sonne flanierten. Gleich am Eingang zu diesem Schauspiel versprach ein gespanntes Transparent ‚Sonntags Fischmarkt!‘ und elektrisierte mit dieser Botschaft unseren Max derart, dass er sogleich beschloss, die Gunst der Stunde zu nutzen und am nächsten Tag dort fürs leibliche Wohl der Crew einkaufen zu gehen. Freilich war die Umsetzung dieses Plans dann sowohl für ihn als auch für unsere Kombüse enttäuschend. ‚Nur Klamotten und Fischbrötchen!‘ schimpfte er tags darauf. Er würde später in Cux noch einmal sein Glück versuchen.
An diesem Abend störte uns das noch wenig. Wir hatten einen Tisch bei einem Italiener reserviert und speisten dort vorzüglich. Die Annehmlichkeiten setzten sich in der Wyker Marina direkt fort. ‚Dusch-Tempel‘, war das Wort, das ich nach meinem ersten Besuch von dort mit an Bord brachte. Tatsächlich wirkte die Anlage nagelneu und in jeder Hinsicht tipptopp. Noch nirgends hatte man den Gästen so viel Platz zugestanden, da konnten die von Jan Werner so gelobten Sanitäranlagen auf Norderney nur vor Neid erblassen, wenn man an den dortigen winzigen Vorraum dachte, in welchem sich die eigenen Klamotten ängstlich in die Ecke duckten, um dem Duschwasser zu entgehen. In Wyk hatte man dagegen in jeder Kabine zwischen Umkleideplatz und Duschraum noch ein eigenes Waschbecken eingebaut. Fenster ließen Luft und Licht in die Kabinen – was wollte man mehr? Ja, man hätte auch noch die Waschmaschinen und die Küche nutzen können – auch diese neu und perfekt in Ordnung – aber allein der Duschtempel ließ mich ins Schwärmen geraten, gab es doch auch keine lästigen Münzautomaten etc.