Die letzte Nacht an Bord schlief ich unruhig. Es war sehr warm und windstill. Beides hatte einige lĂ€stige Plagegeister ĂŒber dem Wasser zum Leben erweckt. Stade war voller MĂŒcken! Leider fanden mindestens zwei davon auch ihren Weg in unsere KajĂŒte und labten sich nun königlich an jedem Teil, das man zur AbkĂŒhlung unter der Decke hervorstreckte. Auch war mir, als wĂŒrden nachts Leute ĂŒbers Deck laufen. Das war nicht ausgeschlossen, wir lagen wirklich mitten in der Stadt.
Die Nacht war daher fĂŒr uns recht kurz â nicht nur wegen der spĂ€ten Stunde, zu der wir uns in die Kojen verabschiedet hatten, und der noch dunklen Stunde, zu der wir uns nun an Deck wieder trafen. Im Logbuch ist der Aufbruch fĂŒr 05.50 Uhr vermerkt. GefĂŒhlt war es deutlich frĂŒher. Es war noch stockdunkel, und die Sterne standen am Firmament, als wir starteten.
Ăber der Schwinge brach dann langsam die MorgendĂ€mmerung an. Robert hatte sich gewĂŒnscht, die Ausfahrt unter Radar anleiten zu dĂŒrfen â als Ăbung. Da ahnten wir noch nicht, dass die vermeintliche Nebelfahrt schon wenig spĂ€ter real in die Praxis umgesetzt werden musste. Noch lag der Morgennebel nĂ€mlich nur ganz leicht ĂŒber den Uferböschungen und angrenzenden Wiesen. Er schuf ein malerisches Bild mit jedem neuen Lichtstrahl, der seinen Weg ĂŒber den Horizont schaffte. Ich fĂŒhlte mich einmal mehr wie auf einer Foto-Safari im Versuch, diese wunderbaren Augenblicke fĂŒr die Erinnerung zu retten.
Als wir die zwei BrĂŒcken der Schwinge schlieĂlich hinter uns gelassen und den Hauptstrom der Elbe erreicht hatten, ging die Sonne glutrot ĂŒber dem östlichen Ufer auf, tauchte Himmel und Wasser in alle Nuancen von Orange und Rot und verzauberte den alten Leuchtturm vor Dwarsloch zur Poesie des Augenblicks.
Da wir sowieso motoren mussten, beschlossen wir, bei den landschaftlich reizvollen Routen zu bleiben. Unser Kurs fĂŒhrte uns folglich sĂŒdlich an LĂŒhesand vorbei. Wir bogen in das Nebenfahrwasser ein und im gleichen MaĂe, wie die Sonne am Himmel höherstieg, verdichtete sich auf dem Wasser der Nebel. Alle standen an Deck und beobachteten das PhĂ€nomen gespannt, bis ich dem schlieĂlich ein Ende bereitete. Am Ruder stehend rief ich: âSchaut auch mal jemanden unten auf die Instrumente?! Ich sehe hier nĂ€mlich nix mehr!â Augenblicklich kam Bewegung in die Mannschaft. Robert und Christian ĂŒbernahmen die Radarwache â dieses Mal also in echt â und sagten mir den zu steuernden Kurs an. Das war dringend nötig, denn weder LĂŒhesand noch das Festlandufer noch die Tonnen des Nebenfahrwassers waren noch zu erkennen. Der Nebel hatte einfach alles verschluckt. Keine Handbreit konnte ich vor Augen sehen.
Gespannt starrte ich in das weiĂe Nichts vor mir und auf den Kompass. Ohne Instrumente wĂ€re es uns hier arg ergangen, das war klar. So manövrierten wir sehr langsam weiter und erreichten mit dem Ende von LĂŒhesand auch das Ende der Nebelbank.
Zehn Minuten hatte diese Nebelfahrt gedauert, vermerkte unser Logbuch. Mir erschien es wie eine Ewigkeit. Als wÀre man in einem Zeitloch verschollen gewesen, aus dem man dann plötzlich bei strahlender Morgensonne wieder auftauchte.
Das war unser letztes Abenteuer auf diesem SpĂ€tsommertörn. Ein sehr eindrĂŒckliches, ein sehr reales, das uns deutlich machte, dass dieser Fluss, auf dem wir schon so oft unterwegs gewesen waren, noch jede Menge Ăberraschungen fĂŒr uns bereithielt.