Der Trimaran legte am nĂ€chsten Morgen ab, ohne dass wir uns dafĂŒr groĂartig hĂ€tten bewegen mĂŒssen. Die Box neben ihm war freigeworden und damit genĂŒgend Platz zum Manövrieren entstanden. Aber unser Entschluss war nun einmal gefasst. Die Strecke zurĂŒck nach Cux war entsprechend lang, also machten auch wir uns wieder auf den Weg. âHelgoland Expressâ und âElbe Expressâ sagten also wieder einmal tschĂŒss und bis zum nĂ€chsten Jahr. Dann ging es Richtung Seegatt.
Dass hier etwas Besonderes bevorstand, war nur den Eingeweihten klar. Unsere Neulinge widmeten sich dem FrĂŒhstĂŒck, wĂ€hrend Robert und Christian durch die Otzumer Balje manövrierten. Die Tonnen waren hier erst kĂŒrzlich neu verlegt worden, eine fehlte derzeit ganz. Alex war am Ruder, als Christian, der im Cockpit neben ihm stand, ins Steuer griff. Sein Blick hing mal wieder am Echolot. Mit der Strömung waren wir zu schnell Richtung flaches Wasser abgedriftet. Sehr nachhaltig korrigierte der Skipper den Kurs nach steuerbord. Mir wurden schlagartig einmal mehr die TĂŒcken der Seegatten bewusst. Zwar hatte sich die Otzumer Balje dieses Mal ganz von ihrer zahmen Seite gezeigt, und doch musste man jeden Moment hellwach bleiben.
Wie gefĂ€hrlich diese Ecke wirklich war, zeigte die Seite der Seenotretter: im Seegatt nach Norderney, durch das wir zwei Jahre zuvor gefahren waren, waren innerhalb weniger Wochen zwei Boote auf den SĂ€nden festgekommen und mussten aus ihren misslichen Lagen von der Gesellschaft befreit werden. Hier genau auf Strömung, Wind und Tiefe zu achten, war also alles andere als unnötig. Hut ab vor Maike, der Skipperin auf der âElbe Expressâ, die diese Strecke in diesem Jahr zum ersten Mal segelte.
FĂŒr den Weg zurĂŒck war Kreuzen angesagt. Wir hatten ausgerechnet, dass wir bis zum Verkehrstrennungsgebiet fahren, dann mit einer Wende zurĂŒck nach Wangerooge und schlieĂlich mit einer erneuten Wende es gut in die ElbmĂŒndung schaffen wĂŒrden. Also nicht wirklich viele Manöver auf dieser doch tagesfĂŒllenden Strecke.
Der Wind blies mit moderaten drei Beaufort aus Nordnordost. Trotzdem wurde uns der Segeltag nicht allzu lang, denn gegen Mittag begann ein reger Funkverkehr, der unsere Aufmerksamkeit lange fesselte. Auf Helgoland endete gerade die Nordsee-Woche, und die letzten Regattaboote verlieĂen den roten Felsen, als Bremen Rescue eine groĂangelegte Suchaktion vor der Insel zu koordinieren begann. Offenbar war ein DSC-Alarm einer Rettungsweste aufgefangen worden. Es hieĂ, man gehe davon aus, dass ein Segler bei der roten Tonne vor der Hafeneinfahrt im SĂŒden der Insel im Wasser gesichtet worden sei. Man vermutete also, eine Person im Wasser vor der Insel treibend. Bei noch nicht einmal zwölf Grad Wassertemperatur da drauĂen eine wirklich gefĂ€hrliche Situation.
Fasziniert hörten wir zu, wie sich in der Folge Boot um Boot meldete, um an der Suchaktion vor dem roten Felsen teilzunehmen. Westlich der Insel fuhr die âHermann Marwedeâ, die âNordicâ, der Hallunderjet und ein Zollboot die KĂŒste im Zickzack-Kurs ab. Kleinere Boote wurden von der âVerenaâ, dem Tochterboot der âMarwedeâ, koordiniert und suchten direkter unter Land im flacheren Wasser. Auch ein Rettungshubschrauber beteiligte sich.
Mehr als zwei Stunden dauerte der Funkverkehr zwischen Bremen Rescue, der âMarwedeâ und den anderen Schiffen vor Ort. Auf der Insel muss es ein spektakulĂ€rer Anblick gewesen sein. Dennoch war uns nur zu deutlich bewusst, dass mit jeder Minute, die die Suche weiterlief, die Chance, die vermisste Person noch lebend im Wasser zu finden, sank. So sehr wir das Engagement bewunderten, mit dem sich Boot um Boot, Crew um Crew fĂŒr die Suche meldete und mithalf, so sehr sank doch unsere Hoffnung auf einen guten Ausgang derselben.
TatsĂ€chlich wurde die Suche schlieĂlich ergebnislos abgebrochen. Vielleicht â und das wĂŒnschten wir uns instĂ€ndig â war es ja doch nur ein Fehlalarm gewesen. Unfassbar erschien es mir nach wie vor, dass man in der Nordsee so einfach verschwinden â untergehen â verlorengehen konnte â in diesem Meer, in dem man im Urlaub so gerne schwimmen geht. Und doch passierte das immer wieder. Kurz vor unserem Törnbeginn waren zwei Einhandsegler von ihren Partnerinnen als ĂŒberfĂ€llig gemeldet worden, die Suche nach ihnen blieb ebenfalls erfolglos. Einfach weg.
Das Meer verschluckte immer noch die Menschen, wie es das schon vor Jahrhunderten getan hatte. All die Technik, die wir dagegen auffuhren, blieb dagegen klein und nutzlos. Wie zerbrechlich doch dieses ganze Ding namens âMenschenlebenâ war! Wir sollten besser darauf achtgeben, es nicht nutzlos verschleudernâŠ