Um halbzehn am Morgen warfen wir die Leinen wieder los. Der Wind kam aus sĂŒdlicher Richtung, gerade gut, um durch das Seegatt zu kommen. Und er blies ordentlich. Eine gute FĂŒnf ist im Logbuch vermerkt. Die hatten wir mindestens.

SpĂ€ter am Tag meinte ich zu Jana: âDu hast heute nur zwei andere Segelboote auf dem Wasser gesehen: eines fuhr mit Sturmfock. Das andere mit Maschine. Wir dagegen liefen mit Vollzeug und ausgebaumter Genua als Schmetterling vor dem Wind.â Und das beschrieb unseren Segeltag in der Tat recht gut. Wir waren schnell, sehr schnell. Der Wind kam weiterhin aus einem gĂŒnstigen Winkel, sodass sich der Seegang einigermaĂen in Grenzen hielt.

Als wir gegen zwei Uhr mittags schlieĂlich ins Fahrwasser der AuĂenelbe gelangten, hörte der Seegang zunĂ€chst fast vollstĂ€ndig auf. Alexander kommentierte das mit der trockenen Feststellung, dass wir uns nun in der Abdeckung von Scharhörnriff befĂ€nden â was die Eingeweihten zum Lachen brachte. Ja, auch eine Sandbank im Meer kann zu manchen Gelegenheiten durchaus beruhigend wirken. Dirk und ich hatten am Ruder dennoch alle HĂ€nde voll zu tun. Das Boot auf seinem delikaten Vorwindkurs ruhig zu steuern, war trotz Bullenstander keine einfache Angelegenheit.
Im Ăbrigen kehrten die Wellen dann auch bald wieder zurĂŒck. Nicht wegen des Windes, der blies immer noch munter von achtern. Aber wegen der Tide, denn in der Elbe segelten wir nun gegen diese. Wind gegen Strom baute Wellenberg um Wellenberg auf, doch war der Effekt auf uns ein gĂ€nzlich anderer als noch bei der Ăberfahrt zum roten Felsen: wir hatten jede Menge SpaĂ.

Ganz ehrlich! Wir surften auf den Wellen den Fluss hinauf und konnten nicht fassen, mit welcher Geschwindigkeit unser âbesegelter Wohnwagenâ plötzlich unterwegs war. â15 Knoten!â die Crew wiederholte geradezu andĂ€chtig die Worte des Skippers. Christian stand vor der Logge und schaute sie wie gebannt an. Aber ja, tatsĂ€chlich, 15 Knoten Fahrt durchs Wasser zeigte sie an, sodass wir in kĂŒrzester Zeit Kugelbake und Cuxhaven hinter uns lieĂen. Alexander stand am Ruder und strahlte wie ein Honigkuchen. So was hatten wir noch nicht erlebt.

Dann verschwand das Strahlen schlagartig â in dem Moment, in dem sich das Wellenbild verĂ€nderte. Aus der Oste kam eine Querströmung, die kurzfristig alles durcheinander wirbelte. Alexander fing unsere Schlingerbewegung schnell ab. Noch mal gut gegangen, puh! Immerhin waren wir noch mit Vollzeug als Schmetterling vor dem Wind unterwegs, da sollte besser nichts Unvorhergesehenes passieren.
Tat es auch nicht mehr. Die Jungs kabbelten sich beinahe ums Ruder. Alle waren im Geschwindigkeitsrausch, und wir auf dem wörtlich schnellsten Weg nach GlĂŒckstadt. Nein, wir wĂŒrden nicht bis zum Morgengrauen brauchen, wie unsere pessimistische Vorausberechnung verheiĂen hatte. Nein, wir wĂŒrden es definitiv noch an diesem Tag schaffen â noch im Hellen, noch so frĂŒh, dass auch noch ein letzter schöner Abend zusammen an Bord fĂŒr alle drin war.