Meine erste Nacht auf diesem Törn verbrachte ich also auf dem dunklen Fluss, der hinter der vorgelagerten Insel angenehm ruhig geworden war. Gegen Mitternacht krochen wir in unsere Kojen. Alexander war innerhalb von Minuten eingeschlafen, wĂ€hrend ich noch lange auf die GerĂ€usche des Bootes, von Wasser und Wind lauschte. Letzterer zerrte noch ziemlich an uns und weckte mich immer wieder aufs Neue aus dem Halbschlaf. Als es schlieĂlich Zeit war, wieder aufzustehen, war es noch stockdunkel drauĂen, und ich war nicht sicher, ob ich tatsĂ€chlich geschlafen hatte. Die âHamburg Expressâ hatte sich da schon heimlich aus dem Staub gemacht, und ich fand mich unvermutet hinter dem Steuer wieder, wĂ€hrend die Jungs vorn den Anker aufholten. Dies wurde dann meine erste echte Nachtfahrt auf dem groĂen FlussâŠ
In dieser Nacht ĂŒbernahm Alexander meinen Platz auf dem Vorschiff und suchte die unbeleuchteten Tonnen in der GlĂŒckstĂ€dter Nebenelbe. Im Scheinwerferlicht stiegen lautlos die weiĂen Körper der Möwen auf, die auf dem Wasser schliefen. Ihr Flug wirkte so sphĂ€risch, als trĂ€umten sie ihn bloĂ. Ein Frachter fĂŒhlte sich von unserer nĂ€chtlichen Lichtkunst deutlich mehr gestört als diese grazilen Flugakrobaten. Sein Scheinwerfer blendete mich am Steuer eine gefĂŒhlte Ewigkeit lang, aber vielleicht wollte er auch bloĂ schauen, wer sich da nachts so auf den Fluss hinaus tastete.
Wir kreuzten das Fahrwasser und blieben dann erst einmal jenseits des GrĂŒne-Tonnen-Strichs. Hier konnten wir endlich die Segel setzen und den Motor abschalten. Was fĂŒr eine herrliche Ruhe! Nur die FunksprĂŒche der Revierzentrale unterbrachen noch ab und an die Stille der anbrechenden MorgendĂ€mmerung. Der Horizont fĂ€rbte sich langsam heller, die Sterne erloschen einer nach dem anderen, und schlieĂlich flutete erst rot, dann golden das Licht der aufgehenden Sonne ĂŒber den Fluss. Ein wunderbarer Anblick, der uns fĂŒr die KĂ€lte der Nacht mehr als entschĂ€digte.
Das Gewusel der Schiffe bei BrunsbĂŒttel an der Schleuse zum Nordostseekanal (NOK) hatten wir da schon hinter uns gelassen und nur wenig spĂ€ter, wie es uns schien, kam Cuxhaven in Sicht, unser nĂ€chstes Etappenziel. Morgens um neun kamen wir dort im Amerikahafen an und machten am Steg fest. Im dortigen Clubhaus gönnte ich mir eine warme Dusche und, wer hĂ€tte das gedacht, versank danach in unserer Koje in einen tiefen, völlig traumlosen Schlaf. Der Amerikahafen war zweifelsohne der lauteste Hafen, den wir auf diesem Törn anliefen. Im Wesentlichen ist es ein Industriehafen, und wir hatten nur zu gut noch den SchĂŒttgutfrachter in Erinnerung, der bei unserem letzten Besuch dort eine ganze Nacht lang Schotter verladen hatte. âUnmöglichâ, hĂ€tte ich gesagt, hĂ€tte mir jemand erklĂ€rt, dass ich ausgerechnet dort wie ein Baby wĂŒrde schlafen können. âSagâ niemals nieâ, hĂ€tte die Devise fĂŒr diese Erfahrung sein können. Die nĂ€chst wĂŒrde lauten: âUnd? Hast Du noch weitere seglerische Herausforderungen, nachdem Du nun die Ansteuerung von Amrum bei Nacht gemeistert hast?â