Magische Momente

Lindaunis, Kiel Holtenau, Rendsburg, BrunsbĂŒttel, GlĂŒckstadt, Wedel

September 2024

Inhalt

Katastrophen

Zwei Tage vor Törnbeginn war der erste Moment, an dem ich mich auf diesen Törn freute. Vielleicht lag es daran, dass ich mental bereits durch die Liste aller Katastrophen durch war. Andererseits war ich sprichwörtlich einen Tod mehr als nur einmal gestorben. Die meisten meiner Sorgen hatten mit dem An- und Ablegen in fremden HĂ€fen zu tun – hier war meine Phantasie im Übrigen ĂŒberaus kreativ –, viele mit dem Wetter, einige betrafen die DieselvorrĂ€te an Bord und die Frage, ob sie uns ausgehen wĂŒrden unterwegs. Überhaupt spukte mir unsere Maschine sehr hĂ€ufig durch den Kopf. Sie zĂ€hlte zwar zu den neuesten Bestandteilen unseres Bootes, aber acht Jahre waren eben trotzdem acht Jahre. Ein vertörnter Furler kam in meiner Liste der Katastrophen vor und noch mal das Wetter.

Kurz, ich stand unter Stress – ziemlich viel Stress, selbstverschuldetem Stress – hatte ich doch zusammen mit Alexander nur wenige Wochen zuvor ein Segelboot an der Schlei erstanden, das es nun ins Winterlager nach Wedel zu ĂŒberfĂŒhren galt.

Lindaunis Hafen
Lindaunis Hafen

Keine Sorgen machte ich mir dagegen darĂŒber, dass unsere „Frida“ uns sicher das StĂŒck ĂŒber die Ostsee und das StĂŒck die Elbe hoch tragen wĂŒrde. Mit sehr gemischten GefĂŒhlen blickte ich dagegen auf den Nordostseekanal (NOK) und das damit zusammenhĂ€ngende Schleusen zusammen mit der Großschifffahrt. Auch wenn, wie Alexander so schön betonte, unsere „Frida“ ihrem Alter gemĂ€ĂŸ ‚etwas pummelig um die HĂŒften‘ war, war sie doch auch ein Winzling neben all den Frachtern, die ĂŒber diese Schiffsautobahn navigierten. Mit denen zusammen in einer Schleusenkammer zu stecken, war mir alles andere als geheuer.

‚Wann fahrt ihr los? – Ach so, dann ist das Hafenfest in Wedel ja schon wieder vorbei. Dann sind die zumindest alle schon wieder weg.‘ Hafenfest? Als unser Bekannter das Wort aussprach, staunte ich nicht schlecht. Zugegebenermaßen hatte ich mir in den vergangenen Wochen alle möglichen Schwierigkeiten und Katastrophen ausgemalt. Ein Hafenfest war allerdings bis dato noch nicht darunter gewesen.

Die ‚Katastrophe‘, die schlussendlich eintrat, hatte, man hĂ€tte es sich fast denken können, mit der Deutschen Bahn zu tun. Man verstehe mich nicht falsch: ich fahre eigentlich gerne mit der Bahn – nur hatte sich das Eigentlich in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund gedrĂ€ngt. Berufspendler eben
 Und so kam, was irgendwie hatte kommen mĂŒssen, als ich an diesem Freitagmorgen gleich frĂŒhs in die Bahn-App schaute. Mit Verwirrung und zunehmender BestĂŒrzung las ich da: ‚Verbindung fĂ€llt aus.‘ Und das nicht bloß bei einem Zug, nein, bei allen, welche in die von uns gewĂŒnschte Richtung fuhren. Ich schaute wirklich viele Verbindungen an diesem Morgen durch. Wie sollten wir denn jetzt bloß nach Lindaunis kommen?

Lindaunis, Schlei
Lindaunis, Schlei

Unsere „Frida“ lag dort oben an der Schlei, drei Zugstunden entfernt – drei Stunden zu weit, wie wir recht bald beschlossen hatten. Nach Wedel konnten wir zur Not auch mit den FahrrĂ€dern fahren, deshalb wollten wir sie herholen. Aber dafĂŒr mussten wir sie eben einmal bis nach Wedel segeln.

Das Datum fĂŒr den ÜberfĂŒhrungstörn hatte wiederum der neue Hafen fĂŒr uns festgelegt. Mitten in unserem Sommerurlaub in Schottland schickte man uns einen Krantermin zu, der – bitteschön – nicht zu verschieben sei. Also gut, also schön. Anfang September wĂŒrden wir unsere „Frida“ nach Wedel holen mĂŒssen, um alles fĂŒrs Kranen rechtzeitig vorbereiten zu können.

Nur eben die liebe Bahn machte uns in letzter Minute einen Strich durch sĂ€mtliche Rechnungen. TatsĂ€chlich fuhr an besagtem Freitag kein einziger Zug auf der ĂŒblichen Strecke nach Norden. In Elmshorn hatte das Stellwerk gebrannt und sorgte fĂŒr Chaos. Elmshorn muss man auf einer Karte mit entsprechendem Maßstab erst einmal suchen, aber an diesem Tag schien es der Nabel der Welt zu sein – unserer Welt, meiner Welt, die klĂ€glich an dieser Baustelle zu scheitern drohte.

Doch halten wir hier auch gleich das Positive fest: das war wirklich die einzige ‚Katastrophe‘ von all den Möglichkeiten – und die Auswahl war, wie gesagt, riesig – die wĂ€hrend des Törns tatsĂ€chlich eintrat.