In BrunsbĂŒttel kam der Wetterumschwung ĂŒber Nacht. Hatten wir noch im Hochsommer dort festgemacht und hĂ€tten den Abend im Restaurant fast noch lieber auf der Terrasse des âOuter Roadsâ verbracht, wachten wir am nĂ€chsten Morgen im eiskalten Herbst wieder auf. Regen hatte eingesetzt, und die Temperaturen waren rapide gefallen. Nachts hatten wir die Fleecedecken ĂŒber unsere SchlafsĂ€cke gezogen, und trotzdem schlotterten wir nun beim Aufwachen. Die warme Dusche half da leider wenig. Nadeln und BlĂ€tter der umliegenden BĂ€ume hatten die AbflĂŒsse verstopft, sodass die Duschen schnell unter Wasser standen. Wir bemĂŒhten uns also, sparsam mit selbigem zu verfahren â denn auf ein Vollbad hatten wir wenig Lust.
Dass wir es nicht direkt bis nach Wedel schaffen wĂŒrden, das hatten wir natĂŒrlich schon vorher gewusst. Dass wir Regen und vor allem viel Wind bekommen wĂŒrden, war schon lĂ€nger angesagt gewesen. Wir waren eigentlich froh, es bis nach BrunsbĂŒttel geschafft zu haben, bevor das Herbstwetter uns erreichte. Aber irgendwie war es auch Ă€rgerlich, dass wir hier nun festsaĂen â vorlĂ€ufig zumindest. Ebenso sicher war nĂ€mlich auch, dass sich die Nachmittagstide stĂŒndlich gen Abend verschob. Ebenso wenig wie wir bei viel Wind vor BrunsbĂŒttel auf der Elbe fahren wollten, ebenso wenig wollten wir im Dunkeln auf dem Fluss zusammen mit der Berufsschifffahrt unterwegs sein. Unsere âFridaâ hatte kein AIS, kein Radar â nichts von all den technischen Wunderwerken, mit denen Roberts Schiffe hier immer unterwegs waren. Wir fuhren quasi noch wie frĂŒher â sprich, mit Kompass, Lot und, nein, unsere Logge funktionierte momentan ja auch nicht. Zwar kannten wir das Revier sehr gut von den verschiedenen Nordsee-Törns, aber das hatte uns eben auch gelehrt, dass man die Elbe â zumal hier drauĂen â nicht unterschĂ€tzen durfte.
Also blieben wir in BrunsbĂŒttel â einen Tag und dann noch einen zweiten, um zumindest das schlechte Wetter abzuwarten. Bis GlĂŒckstadt wĂŒrden wir es am Donnerstag noch schaffen. Und es wĂŒrde dann eben ein ganzer Wochentörn werden, wenn wir erst am Freitagmorgen nach Wedel kommen wĂŒrden.
Am Dienstag taten wir, was wohl alle Leute machen, die es nach BrunsbĂŒttel verschlug: wir besichtigten das kleine Museum, das die Geschichte des Kanals und der Schleuse erzĂ€hlte. Danach nahmen wir an einer SchleusenfĂŒhrung teil. Die war leider nicht ganz so spannend, wie gehofft, dafĂŒr fand der zugehörige Powerpoint-Vortrag immerhin in warmen RĂ€umlichkeiten statt. Spekuliert hatten wir auf eine Besichtigung der Anlage selbst. TatsĂ€chlich gingen wir mit der Gruppe zunĂ€chst auch zum Aussichtspunkt an der Nordschleuse, dann aber leider in ein Kabuff zu besagter PrĂ€sentation. Diese kreiste wie â gefĂŒhlt alles an diesem Ort â um die fĂŒnfte Schleusenkammer, die gerade gebaut wurde. Das war interessant zu wissen, aber in all den bautechnischen Details fĂŒr uns dann doch ein wenig âtoo muchâ. Lieber wollte ich noch etwas von dem Ort sehen, den ich bisher immer nur vom Vorbeifahren kannte. So liefen wir noch zum eigentlichen Yachthafen des StĂ€dtchens, der wesentlich schöner gelegen war, als unser Steg im Kanal. Dummerweise setzte zwischenzeitlich der vermaledeite Regen wieder ein, sodass wir uns als bald zurĂŒck an Bord verkrĂŒmelten.
An diesem Abend wurde bei uns an Bord gekocht. Immerhin hatten wir im Ort frische Zutaten einkaufen können. Ein netter Nebeneffekt war, dass so zumindest etwas WĂ€rme in unser Schiff gelangte. Ja, ich gebe zu, in den folgenden Tagen dachte ich des Ăfteren sehnsĂŒchtig an RĂŒdigers Pustefix â den elektronischen HeizlĂŒfter, der uns das Leben auf dem letzten Schottlandtörn doch so viel angenehmer gemacht hatte.
Am Mittwoch hielten Wind und Regen â wie vorhergesagt â an. Wir wĂŒrden also tatsĂ€chlich erst am Donnerstag wieder starten können. Doch was unternahm man bloĂ mit all der Zeit an diesem Ort? Alexander entschied sich fĂŒr Bastelarbeiten. Er wollte die letzten Aktualisierungen in unsere Seekarte eintragen. Ich wollte lieber noch etwas rumlaufen. Hatten sie nicht gestern was von einem alten Stadtkern und einer alten Kirche erzĂ€hlt?
Zusammen mit Wolfram machte ich mich auf den Weg. Wir liefen lĂ€nger, denn BrunsbĂŒttel war nicht wie so viele StĂ€dte von innen nach auĂen gewachsen, sondern von West nach Ost an der Elbe entlang. Wir sahen folglich ziemlich viel von diesem StĂ€dtchen, als wir uns nun in umgekehrte Richtung auf den Weg machten. So groĂ meine Neugier aber auch war, erwies sich BrunsbĂŒttel als erschreckend unspektakulĂ€r. Den alten Stadtkern erreichten wir, nachdem wir einen Ort scheinbar ohne jede Struktur durchquert hatten. Wohnviertel, Gewerbegebiete, BrachflĂ€chen wechselten sich ohne erkennbares Muster ab. Nichts davon wirkte auf uns besonders anziehend â einmal abgesehen vielleicht vom alten Yachthafen. Und auch der alte Stadtkern war â wie soll ich sagen? – ĂŒbersichtlich. In der Mitte des Platzes thronte St. Jakobi, die alte Kirche, die wir neugierig besichtigten. Rund um den Platz standen BĂ€ume und alte FachwerkhĂ€user, aber schon eine ParallelstraĂe weiter waren wir wieder in der norddeutschen Kleinstadttristesse angekommen, die ich schon als Kind als so schrecklich öde empfunden hatte.
BrunsbĂŒttel lebte, das hatten wir nun wirklich verstanden, von und an seinem Kanal und dessen Schleusen, zu denen wieder und wieder Busladungen voller Senioren eintrafen â schlechtes Wetter hin, schlechtes Wetter her. Jeder von ihnen wollte einen Blick auf die dicken Pötte erhaschen, die sich hier durch die engen Kammern zwĂ€ngten und die zu beobachten wir gerade den Logenplatz an unserem Steg eingenommen hatten.