Die ersten zwei Tage fuhren wir durch den Hochsommer, danach brach abrupt der Herbst ĂŒber uns herein. Aber an diesem Wochenende brannte die Sonne noch. Wie befĂŒrchtet, mussten wir die ganze Strecke motoren. Alle schönen PlĂ€ne, ein Segel wenigstens zur UnterstĂŒtzung zu setzen, machte die Windrichtung zunichte. So tuckerten wir also vor uns hin. Bald schon hatten uns all die anderen Sportboote, die mit uns aus der Schleuse gekommen waren, ĂŒberholt und abgehĂ€ngt. Noch ein wenig spĂ€ter kamen wir uns mauseseelenallein vor auf weiter Flur, bis die ersten dicken Pötte aus der anderen Richtung auf uns zu kamen. Wir hielten uns so weit am rechten Rand des Kanals wie möglich und schauten in die grĂŒne Landschaft ringsum. Es war nicht eigentlich hĂ€sslich hier â nur eben, irgendwie öde, wie Christian prophezeit hatte.
Rendsburg war unser Tagesziel, denn es lieĂ sich mit unerbittlicher PrĂ€zision ausrechnen, dass es mit unserer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 4,5 Knoten angesichts der verbleibenden Strecke unmöglich sein wĂŒrde, BrunsbĂŒttel noch im Hellen zu erreichen. Im Dunkeln durften â und wollten â wir aber nicht fahren. Das gehörte hier zu den Spielregeln fĂŒr den âKleinkramâ wie uns. Also Rendsburg.
Nach Rendsburg wollten wir auĂerdem, um unseren Tank noch einmal aufzufĂŒllen. Wir wĂŒrden ja den ganzen Kanal lang motoren mĂŒssen. Das waren immerhin beinahe fĂŒnfzig Meilen, und unseren Verbrauch kannten wir bisher nur Pi mal Daumen. Eine erste interessante Erfahrung in dieser Hinsicht hatten wir schon in Strande gemacht, wo wir tags zuvor bereits ersten Diesel gebunkert hatten. Dort hatten wir dreiĂig Liter in unseren Tank gefĂŒllt. Laut Unterlagen fasste er vierzig. Nach dem Tanken sprang unsere Anzeige einfach an den Anschlag, wo der Zeiger kleben blieb, bis wir Tage spĂ€ter in Wedel festmachen wĂŒrden. Verbrauch hin, Verbrauch her.
Wir bogen ab zur Schreiber-Werft, wo wir zu unserer aller Freude eine lange Pier vorfanden, an der wir lĂ€ngsseits gehen konnten. Alexander hatte vorab den Hafenmeister per Handy kontaktiert und der war auch sofort zur Stelle, als er uns nun kommen sah. Er packte mit an, als es galt, die Leinen festzumachen und machte ĂŒberhaupt einen netten Eindruck. Ob er uns sonst noch irgendwie behilflich sein könne? Wir verneinten, denn eigentlich wollten wir noch ein StĂŒck weiter des Wegs.
Derweil verbrannte mir die Sonne den Verstand und schlug offenbar auch auf anderen Booten gnadenlos zu. Jedenfalls entstand plötzlich ein heftiger Streit zwischen den Skippern der nĂ€chsten zwei Boote, die ebenfalls nach Diesel verlangten. Eine dritte begann ebenfalls zu kreischen. Wir hatten den Eindruck, uns möglichst zĂŒgig vom Acker machen zu sollen. Also los â oder?
Kaum hatten wir abgelegt und waren zurĂŒck auf dem Weg in den Kanal, kam die berechtigte Frage auf, woher all die anderen Yachten plötzlich gekommen waren und warum. SchlieĂlich waren uns doch lĂ€ngst alle davon gefahren, auch die zwei, die sich da gerade so herzhaft in der Wolle hatten. War der Stadthafen in Rendsburg also schon voll? Das erschien uns als die plausibelste ErklĂ€rung. Dann war es aber doch besser, gleich hier zu bleiben. Es war zwar etwas weit ab vom Schuss, aber immerhin schien es noch LiegeplĂ€tze in der kleinen Marina zu geben. Der Hafenmeister war nett, die Lage ruhig. Was wollte man mehr?