Am letzten Tag wollte ich unsere „Dockenhuden“ aus der Box holen. Was wäre wohl das richtige Ablegemanöver? Ich stand an Deck, um mir die Sache anzuschauen. Wenn man in die Achterleine eindampfte, könnte man problemlos die Vorleinen lösen, überlegte ich. Und dann? Die Box zur Linken war frei. Deren Skipper hatte sich schon auf den Weg nach Sønderborg gemacht, wie er uns noch abends zuvor von seinen Plänen berichtet hatte. Mussten wir also nur steuerbords auf den Nachbarlieger acht geben. Ich erzählte Frank, was ich vorhatte. Er hörte sich alles an, nickte und meinte dann: ‚Du hast kaum Wind. Warum verholst Du Dich nicht einfach über die Achterleinen?‘ Ja, warum eigentlich nicht. Auf die Idee war ich noch gar nicht gekommen. Alexander konnte die Leinen vorne am Bug schon losschmeißen, nachdem die Maschine gestartet und im Leerlauf schnurrte. Jürgen stand mit Fender bewaffnet an Steuerbord für den Fall der Fälle. Frank und Eberhard klarierten die Achterleinen und zogen uns dann rückwärts aus der Box.

Nun nur noch im Rückwärtsgang einmal quer durch den Hafen zur anderen Seite der Boxengasse, wo sich die Tankstelle befand. Sprit wollten wir nämlich auch gleich mitnehmen. Rückwärtsfahren zählt nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen auf Booten. Es klappte nie so, wie es sollte. Dieses Mal versuchte ich, mich und das Boot auszutricksen: ich stellte mich einfach anders herum ans Ruder. So schaute ich direkt in die Richtung, in die ich wollte, und nicht umständlich über die Schulter. Ab und an ein Kontrollblick in die andere Richtung. Es ging besser, als gedacht. Schon waren wir bei der Schiffstankstelle am anderen Ende der Boxengasse. Hier mussten wir längsseits festmachen und am besten so, dass Eberhard gut auf die Leiter an der Spundwand gelangen konnte. Auch das klappte. Der Tankwart reichte den Schlauch, dann hieß es abwarten. Der Mann verschwand wieder – und das recht nachhaltig, wie wir feststellten.

Als wir die gewünschte Menge getankt hatten, machte Eberhard sich auf, ihn zu suchen um zu bezahlen. Wir warteten und überlegten uns derweilen das Ablegemanöver. Der Wind hatte zwischenzeitlich wieder aufgefrischt und drückte uns direkt auf die Fender an der Wand. Vor uns lag ein dickes Motorboot in seiner Box. Die Dame des Hauses beobachtete uns interessiert. Keine Frage, wir waren das Unterhaltungsprogramm zum zweiten Morgenkaffee.

Einfach vorwärts raus ging definitiv nicht, aber mir kam eine Idee. Mir fiel unser Manöver aus Stadersand ein – ein Mauseloch am Steg zwischen vielen Booten, in das Christian uns beim SKS-Törn hatte hinein- und wieder hinausmanövrieren lassen. Einer nach dem anderen kam an die Reihe, obwohl niemand von uns geglaubt hatte, dass unsere Gib Sea dort hineinpassen würde. Das Wesentliche war dabei natürlich die Leinenarbeit gewesen, klare Sache. ‚Wir könnten von der anderen Klampe aus eine zweite Achterleine ausbringen und uns dann an der nach außen klappen lassen‘, schlug ich also vor und stellte erfreut fest, dass ich damit beim Co-Skipper gut gepunktet hatte. Er fand die Idee super, und schon fingen wir an, die Leinen entsprechend vorzubereiten. Fehlte nur noch Eberhard.

Wir warteten. Und warteten. Und warteten. Eine gefühlte Ewigkeit später kletterte er schließlich zurück an Bord. Später erzählte er, dass der Tankwart beim Hafenmeister saß, wo auch die Leute zur Anmeldung hinkamen. So auch die zwei Jungs vor ihm, die sich dann partout nicht an den Namen ihres Bootes erinnern konnten. Sachen gibt’s…

Das Ablegemanöver an der Spundwand klappte erstaunlich gut. Langsam zog unser Bug nach Backbord und am Motorboot vorbei. Als er beinahe in die Mitte der Boxengasse zeigte, nahm ich Schub weg, kuppelte aus, damit die Leinen entlastet waren und eingeholt werden konnten. ‚Leinen drinnen‘, meldete Eberhard nur einen Moment später, schon waren wir wieder in Fahrt – vorwärts, hinaus aus dem Hafen. Der Dame auf dem Motorboot wünschten wir noch einen schönen Tag. Sie wirkte enttäuscht, weil es nichts zum Gucken gegeben hatte. Ich war dagegen mehr als erleichtert, an dem unförmigen Ding unbeschadet vorbeimanövriert zu sein.

Überfahrt nach Schilksee
Überfahrt nach Schilksee

Draußen setzen wir dann die Segel. Wir hatten tatsächlich Westwind und damit einen schönen Anliegerkurs für unseren letzten Segeltag zurück nach Kiel. Wieder sagte Eberhard von unten die Kurse an, wieder wies der Kompass am Mast zuverlässig die Richtung. Nach einer Weile frischte der Wind plötzlich merklich auf. ‚Ah, die Eckernförder Bucht‘, kommentierte Frank.

Überfahrt nach Schilksee
Überfahrt nach Schilksee

Je näher wir unserem Heimathafen kamen, umso mehr Boote tummelten sich auf dem Wasser. Alexander hatte mich am Ruder abgelöst. Noch eine Wende in die Kieler Bucht hinein, und schon lag unsere „Dockenhuden“ wieder auf der Backe. Amwind-Kurs und dann eine Wende nach der anderen, um den Segelbooten, die hier aus allen Richtungen kamen, auszuweichen. Eine Regatta fand dort auch gleich noch statt, ich kam mir vor wie auf der Autobahn.

Irgendwie schafften wir es durch dieses Gewühl hindurch. Im letzten Hafen sollte ich dann den Anleger fahren. Nach dem Segelbergen stand ich also wieder am Ruder und ließ mich in den Hafen dirigieren. ‚Und dann gleich links in die erste Boxengasse‘, meinte Frank, und schon wurde es wieder voll. Nicht nur, dass dort alle möglichen Boote vor sich hin zu dümpeln schienen, unser Liegeplatz war auch noch belegt. Was war das denn?

Wir fuhren in die Box nebendran, stellten fest, dass man hier gerade schwer international unterwegs war und deshalb wohl niemand auf unsere Rufe reagiert hatte. Zusammen machten Skipper und Co sich auf den Weg zu klären, was hier gerade der Fall war, während der Rest der Crew an Deck der Dinge harrte, die da kommen würden. Man kam mit der Nachricht zurück, dass gerade eine internationale Regatta ausgetragen wurde, und die Dauerlieger in den Nordhafen ausweichen sollten. Auch gut, umziehen konnte man ja allemal noch. Also hieß es noch ein letztes Mal: Leinen los!

Kiel Schilksee Hafen
Kiel Schilksee Hafen

Schon waren wir wieder unterwegs – wenn auch nur kurz, denn die Zufahrt zum Nordhafen lag wirklich direkt um die Ecke. Dort gingen wir dann an einem der Stege längsseits und machten fest – zum letzten Mal auf diesem Sommertörn auf unserer Rennziege.

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