Dass es eng werden wĂŒrde, hatten wir schon geahnt â sogar so eng, dass fĂŒr Fender kein Platz mehr war (Breite der Schleusendurchfahrt: 4,78 m). Wir banden Sitzkissen an die breiteste Stelle unserer âHelgoland Expressâ, wĂ€hrend Silke auf das Schleusentor zusteuerte. Links und rechts davon zeigte sich ein Leitdamm im schon wieder fallenden Wasserstand. Die Strömung war enorm. Die Schleuse kam nĂ€her und wirkte noch enger, als bisher angenommen. WĂŒrden wir da wirklich durch passen?
Silke tat, was ich auch getan hĂ€tte; sie verlangsamte die Fahrt. Wenn es kniffelig wurde, musste man ja nicht auch noch drauf los brettern. Allerdings wĂ€re es in dieser Hafenzufahrt wohl das einzig Richtige gewesen. Die Strömung war unglaublich. Stand sie gegen einen, half nur noch Vollgas â enge Zufahrt hin oder her.
Wir kamen glimpflich davon. Dopsten einmal kurz seitlich an, dann waren wir durch und fanden uns im Hafen der Hallig wieder. Kaum waren wir drinnen und ĂŒberlegten, wo wir am besten festmachen sollten, kam ein Mann auf einem uralten Motorrad an und wies uns ein PlĂ€tzchen zu. Auf der linken Seite des Hafenbeckens (von der Schleuse aus gesehen) wĂ€re es ein wenig tiefer. Gut, Tiefgang sticht kurzen Weg zu den SanitĂ€ranlagen â um die zu erreichen, mussten wir nun das gesamte Hafenbecken umrunden. Seiâs drum, wir machten an besagtem Steg fest.
Der Mann auf dem Motorrad erwies sich als der lokale Hafenmeister und hatte gleich noch einen wertvollen Tipp parat: wir sollten den Mast am Dalben festbinden. Ja, es wĂ€re schon Schlick hier im Hafenbecken, aber: âWie viel Tiefgang habt ihr noch mal?â Sein Rat erwies sich als Gold wert. Einige Stunden spĂ€ter an diesem Abend und mit sehr viel weniger Wasser im Hooger Hafen, sackte unsere âHelgoland Expressâ dann doch noch ein wenig zur Seite. Wir witzelten, dass Ben nie wieder steuerbords zum Bug laufen dĂŒrfte, was er just in jenem Augenblick getan hatte.
Dann machten wir uns gleich an die Arbeit, die Befestigung am Dalben noch etwas nachzujustieren. Trickreich war dabei, das Ganze so auszurichten, dass der Zugwinkel das Rigg nicht zu sehr belastete. DafĂŒr bastelten die Jungs eine recht komplexe Leinenverbindung zwischen Dalben, Mast, Bootsklampen und dem GroĂfall â das Ganze aber mit gutem Erfolg. Von da an blieb unsere âHelgoland Expressâ aufrecht stehen, obwohl das Schlickbett unter ihrem Rumpf nicht tief genug war, um darin sicher einzusinken. Ohne diese Konstruktion und zugehörigen Tipp des Hafenmeisters wĂ€re unser Besuch auf der Hallig eine ziemlich schrĂ€ge Nummer geworden.
So hatten wir es gut getroffen. Durften sogar den besonderen Anblick unserer aus dem Watt aufsteigenden Gib Sea vom kleinen Katamaran vor uns fotografieren. Dessen Eigner erwies sich, wie im Ăbrigen alle Leute, die wir hier trafen, als ĂŒberaus nett. Er erzĂ€hlte von seinen verschiedenen Törns in den nordfriesischen GewĂ€ssern. Mit nur dreiĂig Zentimetern Tiefgang hatte er hier nirgends Probleme. Dass unser Dampfer dagegen durchs Wattfahrwasser gekommen war, das löste doch Erstaunen aus beim Hafenmeister.
SpĂ€ter stellten wir auch fest, wie er so fix von unserer Ankunft erfahren hatte. Bei einem Spaziergang ĂŒber die Hallig sahen wir ihn mit einem Fernglas bewaffnet vor seinem Haus auf der nĂ€chsten Warft sitzen. Von hier aus hatte er einen tollen Ăberblick ĂŒber den Hafen und alle seine SchĂ€fchen.
Und diese waren gerade zahlreich. Rund 160 an der Zahl, wie wir erfuhren, fand doch gerade die diesjĂ€hrige âSeekajak-Wocheâ auf Hooge statt. Die Paddler hatten sich mit Zelten und Grillzubehör auf der anderen Hafenseite eingerichtet und brachten einen farbenfrohen Trubel auf die Hallig. Aber kein Vergleich zu Helgoland! Den Schalldruck unserer Nachbarlieger dort erreichten die 160 Leute im Hooger Hafen nicht annĂ€hernd. Es war ein lustiges, aber auch recht geordnetes Treiben auf der anderen Hafenseite. ZusĂ€tzlich aufgestellte KlohĂ€uschen halfen natĂŒrlich bei dieser Angelegenheit, denn Hooge hatte zwar sehr schöne SanitĂ€reinrichtungen, aber eben auch an einer Hand abzĂ€hlbare.
Der erste Eindruck von der Hallig war also mehr als ansprechend und wurde geradezu atemberaubend, als sich der Tag nun seinem Ende entgegen neigte. Jeder von uns stand schlieĂlich oben auf dem Deich bzw. wurde von den anderen dorthin gerufen. Und jeder, der den GrashĂŒgel erklommen hatte, verstand sofort, wieso.
Dunkelrot glĂ€nzte der Himmel ĂŒber dem Watt in der untergehenden Sonne. Vereinzelte Lichtpunkte weit drauĂen markierten HĂ€user auf den Warften oder die LeuchttĂŒrme auf Amrum und LangeneĂ. Das Meer brannte, dann fĂ€rbte es sich langsam in ein immer dunkler werdendes Violette. Seevögel riefen, und die Weite war so groĂ, dass ihre Schönheit schon fast schmerzlich war. Eine unendliche Ruhe und Zufriedenheit ging von all dem aus. Wir standen in einem sagenhaften Moment ohne Zeit â in diesem Augenblick lag die Perfektion der Ewigkeit.
Danach â ja, natĂŒrlich ging es danach weiter â weiter fĂŒr uns Kleingeister im Hier und Jetzt kulinarisch köstlich am Salontisch unserer âHelgoland Expressâ.