Nur ein weiteres Boot schaukelte zusammen mit uns in dieser beschaulichen Ankerbucht. Es machte das Bild perfekt: Sonnenuntergang auf dem Wasser mit Segelboot – was will man mehr? ‚Schlafen‘, mag man an dieser Stelle einwenden, denn das kam an diesem Abend tatsächlich etwas zu kurz. Gegen neun lagen wir in den Kojen, um halbeins sollte es schon wieder weitergehen. Vergeblich versuchte Alexander, mich in der Koje zu halten, als ich nachts die ersten Geräusche oben an Deck hörte. Natürlich hatte er recht. Es gab keinen vernünftigen Grund, warum sich acht Leute gleichzeitig die Nacht um die Ohren schlagen sollten. Aber ich war zu unruhig und dachte mit Sorge an unsere letzte Helgolandfahrt. Wie sollte ich in meine Klamotten finden, wenn es wieder eine solche Berg- und Talfahrt werden würde? Wie sollte ich die Seekrankheit ins Meer befördern, wo sie hingehörte, ohne Klamotten? Das eine erschien mir so unmöglich wie das andere, also raus aus der Koje und rein in die Plünnen. Alexander blieb wohlweislich liegen, denn für diese Nacht war kein Seegang angekündigt. Ich dagegen setzte mich im Salon auf die Bank und döste dort eine Weile weiter vor mich hin. Wenn ich im Zug schlafen konnte, warum dann nicht auch im Salon unseres Schiffes? Es ging leidlich, bis irgendwann Richard mit der Frage nach Kurs und Entfernung nach Helgoland nach unten kam. Und Christian – ganz er selbst – das notwendige Navigationsbesteck auf den Tisch legte. Mit einem Ohr hörte ich schon zu, als es um die Kursberechnung ging. Wie lange hatte ich das schon nicht mehr gemacht? Zu lange – schon war ich auch mit dem anderen Ohr dabei.
So kam es, dass ich in dieser Nacht die zeichnerische Vektoraddition erlernte, um die Beschickung für den Strom der kommenden drei Stunden im Kursschema berücksichtigen zu können. Kaum zu glauben, aber auch nachts um drei Uhr war Christian immer noch ein geduldiger Lehrer. Ein wenig unwirklich war es schon alles so mitten in der Nacht, aber auch unsere Wache, die nur wenig später begann, erschien mir unendlich weit von mir entfernt stattzufinden, wie es Ereignisse nachts um vier eben sein können.
Eine Weile lang träumte ich im Cockpit dem Meeresleuchten hinterher. Dann stand ich irgendwann selbst am Ruder und hielt auf das Helgoländer Leuchtfeuer zu, während hinter uns im Osten langsam der Tag zu dämmern begann. Ein Licht – nicht hier, nicht gestern – tastete langsam in unser Cockpit und während vor uns zuverlässig der rote Felsen Stück für Stück aus dem Meer wuchs, tauchten immer mehr Leute wieder oben an Deck auf. Keiner wollte den ersten Landfall dieses Törns verpassen.