Etwa sechs Stunden später kehrte zögerliches Leben auf unser Boot zurück. Der rote Felsen lag in strahlendem Sonnenschein. ‚Ist die „Hermann Marwede“ geschrumpft?‘ Silkes Frage auf dem Weg zu den Duschen brachte mich glatt aus dem Konzept. Unmöglich, sie lag doch gestern Abend, wie erwartet und erhofft, an ihrem festen Platz im Helgoländer Hafen. Also verneinte ich sturköpfig und immer noch schlaftrunken. Erst nach der Dusche und dem ersten Teil des Frühstücks ging mir auf, dass sie durchaus Recht hatte. Dort lag nicht die „Marwede“, sondern die „Anneliese Kramer“ aus Cux. Wir hatten erst kürzlich einen Bericht darüber gesehen, dass die beiden Boote im stetigen Austausch waren, um beide mit Diesel, Proviant und Mannschaft durchgängig einsatzbereit zu halten. Sie mussten früh, als ich also noch schlief, schon nach Cux ausgelaufen sein. Gut möglich, in dieser Zeit hätte alles passieren können, ich hätte es nicht gemerkt…

DGzRS-Seenotrettungskreuzer "Anneliese Kramer" auf Helgoland
DGzRS-Seenotrettungskreuzer „Anneliese Kramer“ auf Helgoland

Nach dem Frühstück im sonnengefluteten Cockpit zog es uns auf die Insel. Immerhin war es tags, und wir hatten ein paar Stunden Zeit – ganz im Gegensatz zu unseren Besuchen auf dem roten Felsen im letzten Jahr. Zweimal hatten wir Helgoland angelaufen, zweimal waren wir für einige wenige Stunden zum Schlafen dort – kamen nachts und liefen wegen des Wetters und der Tide wieder aus, bevor die Sonne auch nur ans Aufstehen gedacht haben mochte. An diesem Tag galt es nun also, diesen Besuch auszukosten. Ich freute mich auf einen Spaziergang über das Oberland bis zur Langen Anna mit ihrer beeindruckenden Basstölpel-Kolonie. Und natürlich würden wir auch beim lokalen Schiffsausrüster vorbeischauen, wenn auch nicht bei seinem technischen Pendant.

Lange Anna, Helgoland
Lange Anna, Helgoland

Grüppchenweise machten wir uns also auf den Weg. Hier hatte sich in der Tat wenig verändert. Roter Fels im weiten Meer. Das Wetter bescherte eine herrliche Fernsicht, sodass man deutlich die Düne mit ihren weißen Stränden und dem eigenen rotweißen Leuchtturm bewundern konnte.

Düne, Helgoland
Düne, Helgoland

Auf dem Rückweg zu unserem Boot hatten die ersten beiden Fähren mittlerweile ihre menschliche Flut aufs Land gespült. Ein wahres Brandungsrauschen an Touristen schwappte uns im Hafen entgegen, alle begierig darauf, an den Hummerbuden die erstbeste Pommes und das nächstgelegene Fischbrötchen in sich hineinzuschieben. Verwundert schaute ich diesem Treiben zu. Hatten sie tatsächlich nichts auf der Überfahrt zu essen bekommen? Ihr Heißhunger war direkt mit Händen zu greifen. In dicken Trauben hingen sie vor den Buden, und wir suchten ob so vieler Menschen das Weite.

Dass Helgoland tatsächlich ein Mythos anhaftet, merkte ich, als ich – von unserem Törn zurückgekehrt – die üblichen Verwandten-Telefonate absolvierte. Keine der Inseln, die wir besucht hatten, weckte so viel Interesse wie Helgoland. Begierig wollten sie jede Einzelheit darüber wissen, bis ich schließlich genervt feststellte: ‚Eine Stunde über das Oberland und Du bist rum – mehr ist da nicht. Nur einkaufen kann man halt – zollfrei, so wie früher.‘ Und sofort wollten sie wissen, was man da denn Tolles kaufen könne. Wohlweislich behielt ich das Angebot des Schiffsausrüsters in all seinen Details dann aber doch lieber für mich.