Für den kommenden Tag war wieder Sturm angesagt, sodass ein weiterer Hafentag für uns gesetzt war. Wir waren uns sogar so sicher, dass wir Landstrom beim Hafenmeister orderten, um Rüdigers Pustefix anzuschließen, der nicht nur Wärme in den schottischen Hochsommer brachte, sondern auch die durchweichten Klamotten trocknete.

Die Jungs von der Marine hatten ebenfalls die Wettervorhersage gelesen. Sie brachen in aller Herrgottsfrühe auf, um noch vor dem Wetter in Tobermory anzukommen. Sie hatten einen engen Zeitplan, wie sie uns berichteten, ihr Boot musste schon am nächsten Tag wieder in Oban sein. Vor uns lag derweilen noch eine volle Segelwoche in diesem wunderbaren Revier.

Noch einmal liefen wir die übersichtlichen Straßen des Ortes ab, saßen eine Weile unschlüssig im Salon, aber der angekündigte Dauerregen blieb beharrlich aus, sodass ausgedehnter Landstreicherei nicht wirklich etwas im Wege stand. Wir machten uns also auf die Socken. Schon bei unserem letzten Aufenthalt hatten wir den Weg entlang der Steilküste und rund um die Klippen zum Loch Navis entdeckt. Dort hätten wir eigentlich ankern wollen, wäre der Wetterbericht denn ein anderer gewesen. War er aber eben nicht, so konnten uns doch zumindest unsere Füße ein Stück des Wegs dorthin tragen. Immerhin hieß es, man könne dort Orcas sehen. Und nachdem die Delphine so zutraulich vorbeigeschaut hatten, hielt ich nichts mehr für unmöglich.

Also schnell ein paar Oaties als Wegzehrung eingepackt und los ging’s. Wieder dem Rundwanderweg folgend, vorbei an der kleinen, verwunschenen Badebucht und hinauf auf den Klippenweg. Die Vegetation war definitiv von Vorteil, verbarg sie doch, dass es neben uns senkrecht die Wand hinunter ging. Heide, Moose, Krüppelkiefern, Gebüsch linkerhand, ein lehmiger Pfad, Felsklippen rechterhand – so ging es eine Weile dahin. Vorüber an notdürftig überbrückten Abgründen, wie es mir schien, bis unser Pfad buchstäblich unter Wasser stand. Da war trockenen Fußes einfach kein Durchkommen, ganz abgesehen von der schlammigen Sauerei, die wir mit den Wanderschuhen aufs Boot schleppen würden. Es war Zeit umzudrehen. Ein letzter Blick über die einmalige Landschaft: Orcas gab es keine, aber ein Segelboot, das nach Loch Navis einbog. Dann ging es für uns zurück zum Boot, zurück zur warmen Dusche in der Marina.

Hatte ich schon erwähnt, mit wie viel Appetit ich hier jedes Essen verschlang, das wir – meist Alexander – an Bord zubereiteten, und wie fest ich danach schlief? Meist waren wir schon gegen neun Uhr in der Koje und träumten die Träume jener Nächte, in denen der Geist Zeit hat, einmal alle seine Schränke und Schubladen neu zu sortieren. Wir verabredeten einen frühen Aufbruch für den nächsten Morgen. Es sollte nach Tobermory gehen. Und doch kam alles mal wieder ganz anders.