Der Tag in Tobermory wurde vom Regen durchgetaktet: zwei Stunden Schauerböen, zwei Stunden Trockenheit und wieder von vorn. Wir versuchten, das Beste daraus zu machen, und begannen mit einem Bummel durch die EinkaufsstraĂe am Hafen. Die bunten HĂ€uschen dort hatten wir bereits vor fĂŒnf Jahren abgeklappert. Nach wie vor lĂ€sst sich dort viel Schönes finden. Selbstredend wurden Postkarten erworben ebenso wie diverse Mitbringsel. Besondere Favoriten waren fĂŒr uns der RNLI-Shop nebst Station des hiesigen Rettungsbootes, eine Ausstellung ĂŒber Delphine und andere maritime Bewohner beim örtlichen Naturschutzbund und schlieĂlich âTackle and Booksâ, ein Laden der ein unvergleichliches Sortiment aus Anglerbedarf und wunderbarer Buchhandlung in seinen RĂ€umlichkeiten prĂ€sentierte. Man muss schon sehr genĂŒgsam mit sich und der Welt sein, wollte man diesen Laden ohne die eine oder andere Neuerwerbung wieder verlassen.

Nachmittags schwelgten wir in den sĂŒĂen Köstlichkeiten der lokalen BĂ€ckerei. Dann legten wir es darauf an, wollten noch einmal eine Wanderung ĂŒber den KĂŒstenweg versuchen. Grob kannten wir die Gegend ja noch von unserem letzten Besuch. Ob wohl das neugierige Rotkehlchen oder der entsprechend erzogene Nachwuchs desselben dort noch immer zu Hause war? Beim letzten Mal war das neugierige Seelchen so nahe gekommen, dass es fast gegen Alexanders Kameralinse gestupst wĂ€re. Jede Menge GrĂŒnde also, noch einmal das Risiko eines Regengusses auf sich zu nehmen an diesem Tag.

Der Pfad, der sich an der SteilkĂŒste hochschlĂ€ngelt und bald schon in einen wunderbaren Waldweg mĂŒndet â nebst WasserfĂ€llen, knorrigen BĂ€umen und dem gedĂ€mpften Weltton des Waldbodens â war trotz des wechselhaften Wetters fĂŒr schottische VerhĂ€ltnisse gut besucht, aber leider â und damit zusammenhĂ€ngend â an vielen Stellen ein einziger Schlammpfuhl, den es vorsichtig zu umtĂ€nzeln galt. Wir turnten nach bestem Wissen und Gewissen und kamen schlieĂlich bei der Ruine eines alten Hauses mitten im Wald vorbei. Hier lag der Stoff fĂŒr hundertundeine Geschichte direkt vor meiner Nase. Das spĂŒrte ich sofort â leider zusammen mit dem nun nachdrĂŒcklich erneut einsetzenden Regen, der uns vorwitziges Volk zurĂŒck an Bord scheuchte.

Zum Essen waren wir mit RĂŒdiger an dem laut RevierfĂŒhrer besten Fish&Chips-Shop der Region verabredet â ein Verkaufsstand direkt am Wasser. Die Bestellungen wurden aufgegeben: zweimal mit, einmal ohne Fisch und fĂŒr Alexander das hier typische Vinegar-Dressing auf den Pommes. âDas geht nur hier in Schottlandâ, kommentierte er grinsend, wĂ€hrend wir uns schĂŒttelten. Andererseits â hatte man uns damals in Aachen nicht unbedingt Senf auf die KartoffelstĂ€bchen schĂŒtten wollen? Die GeschmĂ€cker waren eben verschiedenâŠ
Noch sehr viel spĂ€ter machten wir uns ein letztes hoffnungsvolles Mal auf den Weg. Dieses Mal um den notwendigen Briefkasten fĂŒr die zwischenzeitlich geschriebenen Karten zu suchen. Die Post lag ja direkt an der Marina, da musste doch auch⊠Ja, gab es auch, aber leider: âPostbox insideâ. Und natĂŒrlich hatten sie schon geschlossen, dann musste ich eben morgen frĂŒh noch einmal schnell vorbeischauen, denn mit ziemlicher Sicherheit war dies der letzte Briefkasten, bevor wir am Freitag wieder in Oban festmachen wĂŒrden. War er auch. Dass ich mir trotzdem hĂ€tte Zeit lassen können, erfuhr ich sehr viel spĂ€ter in diesem Jahr, als Freunde sich fĂŒr die Karte bedankten, die ich vor ĂŒber zweit Monaten in Tobermory in eben jenen Kasten geworfen hatte.
Zwischenzeitlich hatte die DĂ€mmerung ĂŒber der Bucht von Tobermory eingesetzt. In dieser schlich sich nun ein uns schon bekanntes Schiff zu seinem Ankerplatz. Die âOctopusâ manövrierte ihren massigen Leib durch die kleine Bucht, warf den Anker und ward still, wie der Rest des kleinen Ortes.