Einen Ankerplatz fĂŒr die Nacht hatten wir uns schon auserkoren. Hinter Shunna Isle sah es ganz gemĂŒtlich aus. Dazu mussten wir nur noch an der Nordspitze von Lismore vorbei, wo wir von einem Halbwind- auf einen Am-Wind-Kurs wechselten. Das war an sich kein Thema. Interessant wurde es dadurch, dass Wind und Regen offenbar beschlossen hatten, dass die Sache gerade anfing, so richtig Spaß zu machen. Sie nahmen kontinuierlich zu.

Interessant war auch das erneute Wir-sind-schon-alle-da-Erlebnis. Denn aus dem einen AIS-Signal, das wir von unserem Ankerplatz empfangen hatten, wurde auf Sicht plötzlich ein Wald voller Masten, die alle an Muringbojen vertĂ€ut lagen. Dreißig Boote zĂ€hlten wir spĂ€ter, denn erst einmal war es mit der Sicht nichts.

Der Regenvorhang zog sich zu, sodass wir ganz froh waren, dass der frontale Wind uns eine Weile auf der Stelle motoren ließ, nachdem die Segel geborgen waren. Wir kamen schlicht nicht vom Fleck. Das war aber, wie gesagt, fĂŒr den Moment völlig okay, denn wir hatten keinerlei Sicht mehr, was angesichts eines offenbar vollbelegten Muringfeldes vor uns wenig erbaulich war. Gerne wollten wir uns erst einen Überblick verschaffen, bevor wir hineinsteuerten.

Und wir hatten GlĂŒck: Böen und Regen endeten beinahe zeitgleich, sodass wir ein freies PlĂ€tzchen fĂŒr uns ausspĂ€hen konnten. FĂŒr Alexander und mich war es das erste Mal, dass wir an einer Muringboje festmachten. Wieder etwas gelernt.

Erleichtert und erschöpft waren wir allemal nach dem langen Segeltag und der Schlechtwetterfront, die uns zum Abschluss noch heimgesucht hatte. Mir war eiskalt. Erst nach dem Essen wurde es wieder besser. Leider hatten wir keinen Strom fĂŒr RĂŒdigers Pustefix, da half nur warm einpacken und dann das ‚Fern‘-Sehprogramm aus dem Salonfenster bestaunen. Die „Hamburg Express“ drehte sich an ihrer Muringboje, sodass immer wieder wechselnde Landschaften an uns vorĂŒberzogen. Eine herrliche schottische Szenerie, in die sich nun auch noch ein malerischer Regenbogen einfĂŒgte.

Leider hatte der Regen auch noch andere Folgen: am nĂ€chsten Morgen wachte ich mit einer verstopften Nase und dem GefĂŒhl einer drĂ€uenden ErkĂ€ltung auf. RĂŒdiger kramte sofort nach Aspirin – ein wahres Wundermittel, wie er meinte. Ich hoffte das Beste.

Jedenfalls ergab sich so auch schnell unser nĂ€chstes Tagesziel: wir wĂŒrden nach Kerrera segeln. Zur Not konnte man von dort mit der FĂ€hre schnell nach Oban ĂŒbersetzen und aus der Apotheke weitere Wundermittel erwerben. Eine weitere Nacht vor Anker fiel damit leider buchstĂ€blich ins Wasser. DafĂŒr wĂŒrden wir so aber das Boot heizen können, was uns im schottischen Hochsommer doch sehr erstrebenswert erschien.

So machten wir uns wieder auf den Weg. ZunĂ€chst kurz hinĂŒber an den kleinen Steg, denn wir mussten ja noch fĂŒr die Muringboje zahlen. Am Steg wurden unsere Leinen angenommen, und die hilfreichen HĂ€nde stellten sich als zustĂ€ndiger Hafenmeister vor. FĂŒnfzehn Pfund kostete die Nacht. Ich klaubte unsere letzten Pfundscheine zusammen. Ob wir noch etwas brĂ€uchten? Duschen? WĂ€re alles da vorne, und er deutete vage auf ein HĂ€uschen an Land. Wir lehnten dankend ab, so weit wollten wir an diesem Tag ja gar nicht mehr. Waren aber doch ĂŒberrascht, dass sich unser vermeintlich lauschiger Ankerplatz als vollwertige Marina entpuppte.

Wir warfen einen letzten Blick auf das beachtliche Feld an Yachten in der kleinen Bucht und brachen auf gen SĂŒden. Dieses Mal fuhren wir östlich an Lismore Isle vorbei. Es galt auf einige flache Stellen zu achten. Das war allerdings kein Problem, denn an diesem Tag gab es ĂŒberhaupt keinen Wind mehr, sodass wir die folgenden drei Stunden am StĂŒck motorten. Das war schade, erlaubte uns aber auch, recht faul die Nasen in die Sonne zu strecken, die an diesem Tag fĂŒr ein wenig EntschĂ€digung fĂŒrs schlechte Wetter vom Vortag zu sorgen beschlossen hatte. Wir genossen die WĂ€rme ebenso, wie es die Kolonie Robben tat, die wir wenig spĂ€ter entdeckten.

Überhaupt war alles recht hĂŒbsch anzuschauen. Eine Mischung aus Norwegen und Schweden, befand RĂŒdiger. Schroffe Felsen einerseits und sanfte grĂŒne Wiesen andererseits und dazwischen das glasklare, spiegelglatte Wasser.

Um die Mittagszeit kamen wir in der Marina von Kerrera an, unser vorletztes Etappenziel. Oban – Ziel und Ausgangspunkt unseres Törns – lag schon in Sichtweite auf der anderen Seite der Bucht.