‚Das nenn‘ ich echtes Commitment!‘ wir lachten und hatten alle denselben Gedanken, als wir den Sicherheitsgurt sahen, welcher den Koch an der Pantry bei Lage vom Umfallen abhalten sollte. Unsere „Goldrush“ war ganz offenbar auch für schweres Wetter und längere Törns auf See gedacht und ausgestattet. Wir auch?

Spannend gestaltete sich das Bunkern in Oban. Eine erste Herausforderung waren schon die wenigen Kilometer von Dunstaffnage aus in die Stadt. Der Vercharterer wünschte bei der Bootsübergabe nur Skipper und dessen Co an Bord. Sophia und ich nutzen also die Zeit – oder hatten das zumindest vor –, um erste Vorräte in Oban einzukaufen. Wir pilgerten zur Bushaltestelle und warteten. Der Bus erschien auch pünktlich. Er bog auf unsere Straße ein. Wir schauten ihn an, er schaute uns an und – fuhr an uns vorbei. Wie bitte? Hey, hallo, wir wollten mitfahren! Einigermaßen entgeistert starrten wir dem Bus auf der Schnellstraße, an der wir standen, hinterher. Und nun? Der nächste Bus würde erst in einer guten Stunde fahren, und wir hatten heute doch noch was vor! Wir entschieden uns kurzerhand für ein Taxi. Judy, hilfsbereite Seele unseres Vercharterers, rief uns einen Wagen, als sie kopfschüttelnd von unserem Malheur erfahren hatte. ‚It will take a couple of minutes. They’re changing the tires.‘ Nun gut, an abgefahrenen Reifen würde unsere Unternehmung also wenigstens nicht scheitern. Wir warteten und warteten und warteten. Nach einer weiteren halben Stunde fühlten wir uns dann doch bemüßigt, noch einmal nachzufragen, ob man denn zusätzlich zu den Reifen noch etwas anderes hatte tauschen müssen. Nein, nun war unser Taxi definitiv auf dem Weg und wenig später wussten wir auch, warum hier alles so lange dauerte: durch Oban quälte sich eine schier endlose Autoschlange – so viel Verkehr am gefühlten Ende der Welt war schon erstaunlich und für die Stadt nicht besonders vorteilhaft: An Lautstärke und Unruhe stand sie Glasgow in nichts nach, obwohl letztere gut fünfundzwanzig Mal so groß war. Warum hier all diese Menschenmassen unterwegs waren, blieb uns ein Rätsel.

Oban
Oban

Endlich im örtlichen Supermarkt angekommen, hatte unsere Odyssee aber leider noch kein Ende. Nicht nur waren hier bis auf wenige Ausnahmen nur die Hausmarken erhältlich und die Suche nach dem Gewünschten gestaltete sich entsprechend komplex, auch schien man die einzelnen Produktgruppen möglichst äquidistant über den gesamten Laden verteilt zu haben, so dass man Mal um Mal dieselben Gänge entlang lief auf der Suche nach so trivialen Dingen wie Nudeln oder Müsli. Eine schier endlose Zeit verbrachten wir mit dem intensiven Studium uns völlig unbekannter Lebensmittelverpackungen. Dennoch gelangte später – aus Versehen – die eine oder andere landestypische Absonderlichkeit in die Schapps unseres Bootes. Ein kulinarischer Tiefpunkt, den ich das Unglück hatte zu ergattern, stellte Orangensaftkonzentrat versetzt mit Zucker und Süßstoff dar. Wer denkt, grüne Deckel signalisierten eher gesunde, also ungesüßte Waren, sitzt demselben Trugschluss auf, welchem ich hier auf dem Leim gegangen war. Und Achtung: Konzentrat meint tatsächlich Konzentrat und nicht trinkbaren Saft wie bei uns. Als halbwegs taugliche Mischung erwies sich später das Verhältnis von einem Drittel Saftkonzentrat und zwei Dritteln Wasser. Alles jenseits davon war schlicht ungenießbar.

Unsere Küchencrew hatte trotz allem viel Spaß bei der Zubereitung unserer Speisen. Auch die restlichen Personen im Salon lachten nicht selten, wenn Sophia die ausgesuchten Rezepte laut vorlas. Sie erforderten beispielsweise ein langsames Köcheln auf kleiner Flamme – ha, unser Ofen war digital: Feuer an oder aus, dazwischen war nichts. Auch die Frage, ob die eine Zutat zuerst und dann die andere in den Topf sollte oder ob sie doch umgekehrt hätten verrührt werden müssen, war bei unserem Zweiflammen-Herd von eher fakultativer Bedeutung. Eindeutig war bei späterer Gelegenheit dagegen der Grund für das Dahinscheiden von Eisbergsalat und Gurke: Beide waren in unserem Tiefkühlloch schlicht am Kühlaggregat erfroren.

Einige Male gingen wir Essen. Am lustigsten war in dieser Hinsicht „The Lorne“, seines Zeichens „Whisky-Pub“ in Oban. Dort gab es das klassische Pub-Food, gutes Ale und – der Name war Programm – eine umfassende Whisky-Karte als Kreideanschrieb umlaufend auf den Wänden durch den ganzen Raum vermerkt. Bei unserem ersten Besuch dort saßen am Nachbartisch zwei Franzosen und diskutierten ihre Urlaubspläne. Entsprechende Reiseführer wurden gewälzt und später dann auch Postkarten geschrieben. Wie eine Partie ‚Solitaire‘ hatte mein Nachbar seine Karten vor sich auf dem Tisch drapiert. Lächelnd betrachtete ich die Szene, hatte ich doch nur wenige Tage zuvor dieselbe Urlaubsaufgabe erfüllt. Wie schön, dass es noch andere gab, die diesem Hobby analoger Zeiten frönten. Mein Tischnachbar lächelte zurück und zeigte mir nicht ohne Stolz die Kunstdruck-Karten, die er noch in seinem Mäppchen hatte. Er hatte eine gute Wahl getroffen…